«Historisch»: DBB-Team wirft USA raus und spielt um WM-Gold

Der geschichtsträchtige Sieg über die USA im packenden Krimi von Manila machte Deutschlands Basketballer fassungslos. Die Wagner-Brüder Franz und Moritz herzten in den Katakomben ihre euphorisierten Eltern, Kapitän Dennis Schröder setzte nach dem erstmaligen WM-Finaleinzug zur großen Lobeshymne auf seine Jungs an.

«Mein Team ist extrem geil. Das ist das beste Team, das ich je hatte, egal ob NBA oder Nationalmannschaft. Jeder ist happy für den anderen. Es ist einfach ein gutes Gefühl», sagte Schröder nach dem 113:111-Spektakel gegen den Olympiasieger.

Die Generation Schröder kann sich am Sonntag (14.40 Uhr/ZDF und Magentasport) gegen Serbien krönen und Deutschland den ersten WM-Titel bescheren. «Historisch», schrieb Bundeskanzler Olaf Scholz auf X, vormals Twitter, unmittelbar nach Ende des packenden Duells, in dem das Team von Bundestrainer Gordon Herbert das NBA-Starensemble niederrang. Die erste WM-Medaille seit 2002 ist sicher, doch damit gibt sich der Kanadier nicht zufrieden. «Einer noch. Ein bisschen genießen, dann müssen wir bereit sein. Wir sind noch nicht da, wo wir sein wollen», sagte Herbert.

Franz Wagner: «Es ist einfach geil»

Während die US-Stars um Anthony Edwards und den nur beinahe in Deutschland eingebürgerten Austin Reaves mit düsteren Mienen aus der Mall of Asia Arena in der philippinischen Hauptstadt schlichen, herrschte bei den deutschen Kollegen Euphorie. Angeführt von Franz Wagner (22 Punkte), der nach überstandener Verletzung wie der junge Dirk Nowitzki spielte, gelang der wohl spektakulärste Coup eines deutschen Basketball-Teams. «Es macht einfach unglaublich viel Spaß mit den Jungs. Es ist einfach geil», sagte der 22 Jahre alte Wagner, der die Sensation von Manila maßgeblich initiierte.

Franz und Bruder Moritz trafen nach absolviertem Interview-Marathon auf ihre Eltern Beate und Axel, die bei der WM schon längst Kultstatus erlangt haben. Überglücklich fiel sich die Berliner Familie in die Arme, der Traum von WM-Gold lebt weiter. «Das ist richtig besonders für die ganze Familie, dass wir weiter im Turnier sein können. Das ist ein krasses Gefühl. Wir genießen es auf jeden Fall sehr», sagte Franz Wagner.

Die Fernreise, die Mitte August am Persischen Golf in Abu Dhabi begann und im japanischen Okinawa weiterging, dauert tatsächlich bis zum großen Finale um den glänzenden Pokal an. Rollenspieler wie Andreas Obst (24) und Daniel Theis (21) machten den Erfolg über den Topfavoriten mit ihren außergewöhnlichen Leistungen erst möglich. Schröder steuerte 17 Punkte bei. «Wir sind nicht nur Dennis oder Franz. Ich hatte eine unglaublich gute Nacht, habe gut geschlafen. Wir hatten ein Ziel vor Augen. Wenn du im Halbfinale bist, dann willst du Gold gewinnen», sagte Theis, der mit seiner Wucht unter dem Korb elementar war.

Den Coup über die Basketball-Großmacht USA kann das gefeierte Team aber nicht allzu lange genießen, denn knapp 46 Stunden später wartet im Endspiel Serbien um den ehemaligen deutschen Bundestrainer Svetislav Pesic. «Ich habe mir dieses Finale gewünscht und es ist so gekommen. Ich freue mich, jetzt soll der Bessere gewinnen», sagte der 74 Jahre alte Pesic, der 1993 mit Deutschland sensationell Europameister wurde und 2002 mit Jugoslawien Weltmeister. Für die USA geht es am Sonntag (10.30 Uhr) gegen die ebenfalls enttäuschten Kanadier nur noch um Bronze. Superstars wie Stephen Curry oder LeBron James fehlten zwar im Aufgebot, das Ensemble galt trotzdem als der Maßstab des Turniers.

Ziel WM-Medaille schon perfekt

Beim deutschen Team geriet hingegen fast zur Nebensache, dass das bereits im Juli abgesteckte Ziel WM-Medaille schon perfekt ist. Für das bei dem Turnier noch immer makellose Herbert-Team geht es jetzt nur noch um eins: Serbien besiegen und den schon jetzt unvergesslichen Sommer entsprechend veredeln. «Wir werden zusammensitzen am Abend. Aber ich will nicht zu viel feiern. Es ist megageil, aber wir haben noch ein Spiel», sagte Johannes Thiemann, der sich erneut keinen Fehlwurf erlaubte.

Das Team, dessen Herzstück Spielmacher Schröder ist, ist über mehrere Jahre gewachsen. Nach dem WM-Desaster vor vier Jahren in China war das Olympia-Ticket für Tokio 2021 der erste Schritt, es folgte Bronze bei der Heim-EM in Köln und Berlin 2022. Nun ist etwas drin, was selbst Nowitzki und Co. nie schafften: ein Titel. «Das ist ein Prozess von mehreren Jahren. Das passiert nicht von heute auf morgen. Es muss auch Scheiß-Zeiten geben, in denen es nicht läuft, in denen es Reibung gibt, damit so etwas passieren kann. Ich bin sehr, sehr dankbar, dass ich ein Teil davon sein darf», erinnerte sich Moritz Wagner.

Deutschland hat bei der WM nacheinander Japan, Australien, Finnland, Georgien, Slowenien, Lettland und die USA geschlagen. Die beste WM-Bilanz eines deutschen Teams ist es schon jetzt. Doch das Schröder-Team kämpft um mehr als den reinen sportlichen Erfolg. «Es ist nicht nur ein Sieg, sondern es bedeutet mehr für den deutschen Basketball, für die deutsche Sportkultur. Es ist ein geiler Sport. Teil dieser Welle zu sein, die den Sport voranbringen kann, ist ein Riesenprivileg», sagte Moritz Wagner. Sichtbar wird der neue Erfolg bereits am Sonntag: Das ZDF überträgt Deutschlands erstes WM-Endspiel live. Alle sieben bisherigen Spiele waren ausschließlich bei Magentasport zu sehen.

Patrick Reichardt und Lars Reinefeld, dpa