Hörmanns Altlasten erschweren Neuanfang beim DOSB

Seine letzten drei Wochen im Amt begannen für Alfons Hörmann in der Corona-Quarantäne. Als hätte der umstrittene Präsident dem Deutschen Olympischen Sportbund zuletzt nicht genug schlechte Nachrichten beschert, erwischte den 61-Jährigen trotz Dreifach-Impfung auch noch das Virus.

Die meisten Spitzenvertreter des DOSB und seiner Verbändegruppen waren allerdings schon vorher auf Distanz zu Hörmann gegangen. Der scheidende Chef hinterlässt einen von Grabenkämpfen gezeichneten Dachverband, Altlasten wie Hörmanns juristische Attacken gegen vermeintliche Widersacher erschweren einen Neuanfang.

«Unglaubliche Sachen erlebt, gehört, gesehen»

«Ich bin ein bisschen entsetzt darüber, was in der Vergangenheit alles passiert ist und auch verwundert», sagte Basketball-Präsident Ingo Weiss, der auch Sprecher der Spitzenverbände ist. In der Vorwoche hatten Enthüllungen über die Alleingänge von Hörmann und Vorstandschefin Veronika Rücker den DOSB erschüttert, die mithilfe von Anwälten und Drohbriefen auf Vorwürfe aus dem Mitarbeiterkreis reagiert hatten. «Wir haben in den letzten Tagen unglaubliche Sachen erlebt, gehört, gesehen», sagte Weiss.

Jörg Ammon, Präsident des Bayerischen Landessport-Verbandes, kündigte eine «vollständige Aufklärung» der Geschehnisse beim DOSB an. Bis zur Mitgliederversammlung am 4. Dezember in Weimar, bei der Hörmanns Nachfolger gewählt werden soll, bleibt aber nur wenig Zeit. Laut Ammon, der auch Sprecher der Landessportbünde ist, sollen bei den Ermittlungen zu den jüngsten Vorgängen auch Haftungsfragen wegen der Kosten für die juristischen Scharmützel beleuchtet werden.

Hörmann sieht sich als Opfer einer Intrige

Offen ist damit, ob Vorstand und Präsidium des DOSB beim Treffen in Weimar überhaupt entlastet werden können. Vorstandschefin Rücker muss wegen ihrer Verwicklung in die Affäre um den Mitarbeiter-Brief zum Jahresende ebenfalls gehen. Hörmann hatte seinen Rückzug schon kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe über eine «Kultur der Angst» in der Verbandszentrale im Mai angekündigt. Er sieht sich als Opfer einer Intrige und sprach zuletzt von einem «Umsturz».

Seine angeblichen Hoffnungen auf eine Ehrenpräsidentschaft beim DOSB, den er seit acht Jahren hegt, sind wohl vorerst dahin. Das Thema sei «ad acta gelegt, da wird zurzeit nirgendwo drüber geredet», sagte Spitzenfunktionär Weiss. Er erwarte aber nicht, dass Hörmann in seinen letzten Amtswochen noch zur Belastung für den Dachverband werde. Der DOSB-Präsident werde sich bei der Mitgliederversammlung «professionell und souverän und ohne böse Attitüden» verabschieden.

Favorit Weikert: «Es muss mit Vertrauen beginnen»

Favorit für die Nachfolge dürfte Thomas Weikert sein, der noch Präsident des Tischtennis-Weltverbands ist. Der 60-Jährige habe bei seiner Präsentation vor den Verbändegruppen in der Düsseldorfer Messe eine «exzellente Vorstellung geboten», sagte Weiss. «Ich traue mir zu, das hinzubekommen. Man kann nicht alles schaffen, es muss mit Vertrauen beginnen», sagte Weikert.

Fechterbund-Chefin Claudia Bokel (48), die ursprünglich sogar mit ihrem Verband die Kandidatur Weikerts unterstützt hatte, dürfte nur Außenseiter-Chancen haben. CSU-Mann Stephan Mayer (47), der ebenfalls von einer Findungskommission für den Posten empfohlen worden war, zog sich überraschend zurück.

«Man braucht auch einen kompletten Neuanfang»

Der Personalwechsel allein wird die Probleme des zerrissenen DOSB aber kaum lösen können. «Man kann nicht nur einzelne Personen austauschen. Man braucht auch einen kompletten Neuanfang», sagte Triathlon-Präsident Martin Engelhardt. Man sei «an einem ziemlichen Tiefpunkt angelangt», stellte der 61-Jährige fest. «Es muss unser aller Ziel sein, den Sport wieder zu einer gesellschaftlichen Kraft werden lassen», sagte Engelhardt.

Die lähmenden Debatten um die DOSB-Führung und die Aufarbeitung der Verfehlungen der Ära Hörmann werden den Dachverband aber wohl noch eine Weile am ersehnten Aufbruch hindern. Dabei hat der Sport viele dringende Sorgen. Im Spitzensport wird weiter über den Reformweg für eine medaillenreichere Zukunft gestritten. Die wieder verschärfte Corona-Lage bringt Millionen von Breitensportlern in die Bredouille. Die Infrastruktur des Sports hat vielerorts dringenden Modernisierungsbedarf. Den DOSB und Sportdeutschland hinterlässt Alfons Hörmann als schwierigen Sanierungsfall.

Von Christian Hollmann, Morten Ritter und Andreas Schirmer, dpa