Hrubesch nach U21-Debakel: Habe keinen Häuptling gesehen

Horst Hrubesch macht sich trotz des kläglichen Vorrunden-K.o. der deutschen U21 bei der Europameisterschaft «überhaupt keine Sorgen» um den deutschen Fußball. Das sagte der 72-Jährige im Interview mit dem Sportbuzzer.

Es gebe immer Jahrgänge, in denen alles von allein laufe und in anderen nicht. «Klar ist, dass wir immer wieder hinterfragen müssen: Was hat sich bewährt? Sind wir auf dem richtigen Weg? – Das gilt für den DFB, die Landesverbände und die Vereine. Veränderung ist wichtig, es geht aber nur gemeinsam», sagte der frühere Nationalspieler – obwohl der Misserfolg der U21 noch einmal ganz schonungslos Probleme im deutschen Nachwuchs-Fußball offenlegte. 

«Jungen mehr Spielpraxis» geben

Entscheidend sei aus seiner Sicht, «den Jungen mehr Spielpraxis zu geben. Das macht etwa England vor. Je früher wir die Spieler in den Seniorenbereich bringen, desto schneller gewöhnen sie sich daran. Diesen Prozess müssen wir anschieben», forderte Hrubesch, ein Umbruch funktioniere aber nicht in 14 Tagen oder drei Wochen. 

Bei der EM in Georgien und Rumänien war Deutschland als Titelverteidiger krachend gescheitert, nachdem am Mittwoch durch das 0:2 im letzten Vorrundenspiel gegen England das Vorrunden-Aus besiegelt war – das früheste Aus seit 2013 als Tabellenletzter. Nach zwei unglücklichen Auftritten gegen Israel (1:1) und Tschechien (1:2) war vor allem gegen EM-Favorit England ein Klassenunterschied sichtbar. 

Alle U21-Spieler seien noch in der Entwicklung, so HSV-Legende Hrubesch. «Trotzdem muss man sich die Frage stellen, ob eine Mannschaft auf dem Platz war, die zueinandergestanden hat. In der Schlussphase gegen England, die ich gesehen habe, war mir das von der Art und Weise zu wenig. Die Mannschaft ist dafür verantwortlich, den Kopf hinzuhalten und füreinander einzustehen. Ich habe auch keinen Häuptling gesehen, der die anderen mitzieht und mitreißt», sagte Hrubesch, der von 2000 bis 2016 in verschiedenen Funktionen für den Deutschen Fußball-Bund gearbeitet hatte, von 2008 bis 2009 sowie von 2013 bis 2016 als U21-Trainer.

Mit der «Goldenen Generation» um die späteren Weltmeister Manuel Neuer, Mats Hummels, Mesut Özil und Sami Khedira gewann er 2009 erstmals den EM-Titel. Bevor er den Verband verließ, führte Hrubesch den DFB-Nachwuchs zu Olympia 2016 und holte dort die Silbermedaille. Auch in der U18, U19 und U20 war er verantwortlich.

Auf die Heim-EM im kommenden Jahr blickt er trotz der schwachen Leistungen der Nationalmannschaft und den in die Kritik geratenen Bundestrainer Hansi Flick optimistisch. «Wenn Deutschland eine EM austrägt, wird die Nationalmannschaft eine entscheidende Rolle spielen. Da bin ich mir sicher. In dem noch verbleibenden Jahr muss sich die Mannschaft von Hansi Flick einspielen. Das traue ich ihr zu. Ich möchte nicht alles schwarzmalen, nur weil dieser Sommer enttäuschend verlief.»