Im Ferrari statt im Schulbus: Leclerc und der Mythos Monaco

Immer wieder gern erzählt Charles Leclerc, wie er als Kind noch im Schulbus durch Monaco fuhr. «Es sind die gleichen Straßen. Und jetzt sitze ich hier im Formel-1-Auto, das macht es ganz besonders speziell für mich», sagte der Ferrari-Star. Die Sehnsucht nach dem ersten Sieg in seiner Heimatstadt ist auch vor dem Rennen am Sonntag (15.00 Uhr/Sky) wieder groß, denn bislang lief es für den 26-Jährigen in seinem Geburtsort nie wie gewünscht. «Aber ich bin zuversichtlich, dass wir dieses Jahr stark sind», sagte er.

Als wäre das Rennen im Fürstentum an der Côte d’Azur nicht schon einzigartig genug, hat es für Leclerc noch einen ganz eigenen Reiz. «Er hat mit der Strecke noch eine Rechnung offen. Wir wollen ihm helfen, dass das endet», sagte Ferraris Teamchef Fred Vasseur.

Zweimal stand die Nummer eins der Scuderia schon auf dem ersten Startplatz, doch ins Ziel kam Leclerc nie als Sieger, schaffte es nicht mal auf dem Podest. Ein vierter Rang vor zwei Jahren ist das beste Resultat des fünfmaligen Grand-Prix-Siegers, der zuletzt im Juli 2022 in Österreich gewinnen konnte.

Die Qualifikation zählt: In Monaco gelten andere Regeln

Für die Ansprüche von Leclerc ist das zu viel wenig. Eigentlich sollte er dem stolzen Autobauer endlich wieder einen WM-Titel bringen, doch davon sind die Italiener offenbar erneut weit entfernt. Weltmeister Max Verstappen ist mit Red Bull schon wieder enteilt und derzeit scheint es, als sei das erstarkte McLaren-Team um den Briten Lando Norris der neue Hauptkonkurrent.

In der Gesamtwertung ist Leclerc nach Rang drei am vergangenen Sonntag in Imola aber noch Zweiter. Doch in Monaco sind all diese Zahlen im achten Saisonlauf nichts wert, in den engen Straßen des Stadtstaats gelten andere Regeln.

Es kommt vor allem auf eine schnelle Runde in der Qualifikation am Samstag an. Denn wer weit vorn startet, hat gute Chancen, die Position zu halten. Das Asphaltband ist maximal zehn Meter breit, oftmals noch deutlich schmaler. Überholen ist da fast unmöglich.

Wie Ferrari in einer Pressemitteilung schrieb, hat es bei den vergangenen sechs Großen Preisen in Monaco insgesamt nur 30 Überholmanöver gegeben. 2019 waren es auf dem Kurs mit dem ikonischen Tunnel, der Rascasse-Kurve und der Passage rund um das Schwimmbad sogar nur zwei

Fast jeder Dritte im Fürstentum ist Millionär

Doch auch wenn die Rennsonntage zum Missfallen vieler eher langweilig sind, müssen die Fahrer Schwerstarbeit leisten. Die Leitplanken sind nah, ein kleiner Fehler kann schnell das Aus bedeuten. «Monaco ist für jeden Fahrer besonders», sagte Leclerc. Während er sein ganzes Leben schon in dem 38.000-Einwohner-Ort mit geschätzt mehr als 12.000 Millionären zu Hause ist, haben auch viele seiner Kollegen einen Wohnsitz am Mittelmeer.

Das liegt nicht nur an der Sicherheit und Diskretion für die Reichen, sondern auch an den Steuervorteilen. Wer genug Geld vorweisen kann, um in Monaco leben zu dürfen, profitiert von der Befreiung von der Einkommensteuer, es gibt auch keine Vermögens- oder Grundsteuer.

Neun der 20 Formel-1-Piloten residieren laut mehrerer Medienberichte im Fürstentum. Dazu zählen in Rekordweltmeister Lewis Hamilton, der ab kommendem Jahr Leclercs Teamkollege bei Ferrari wird, Verstappen und Norris die größten Namen der Szene. Auch der Deutsche Nico Hülkenberg vom US-Rennstall Haas lebt seit 2015 in Monaco.

Fürst Albert gratulierte noch keinem Monegassen zum Sieg

Auch für sie wird es ein Heimspiel, für Leclerc aber noch mehr. «Der Grand Prix in Monaco bedeutet alles für uns», sagte sein jüngerer Bruder Arthur Leclerc. Der 23-Jährige fährt im Nachwuchsprogramm für Ferrari und könnte es ebenfalls in die Motorsport-Königsklasse schaffen. «Die Strecke ist nur ein paar hundert Meter von unserem Zuhause entfernt. Deswegen haben wir hier viel Unterstützung», sagte er.

Auch Fürst Albert gehört zu jenen, die Leclerc den ersten Sieg eines Monegassen auf den heimischen Straßen seit der Formel-1-Premiere 1950 wünschen. In der Vergangenheit musste das Oberhaupt der Familie Grimaldi den Rennfahrer sogar schon trösten.

2021 konnte Leclerc wegen technischer Probleme gar nicht erst starten, ein Jahr später kostete ein Boxenstopp-Fehler seiner Crew einen möglichen Triumph. «Natürlich möchte ich in Monaco gewinnen», bekräftigte Leclerc, bevor es am Freitag im Training erstmals auf die mit 3,337 Kilometern kürzeste Piste der Saison geht.

Von Thomas Wolfer, dpa