Italien nach Demütigung unter Schock: «Was für eine Blamage»

Italien nach Demütigung unter Schock: «Was für eine Blamage»

Gedemütigt, tief enttäuscht und mit leerem Blick schlichen Italiens Kapitän Gianluigi Donnarumma und seine Teamkollegen zu den Fans.

Sie baten ihre Anhänger um Entschuldigung für die katastrophale Leistung im EM-Achtelfinale. Doch statt Trost und Zuspruch erhielten sie nach dem 0:2 gegen die Schweiz nur Pfiffe und Beleidigungen.

Drei Jahre nach dem umjubelten EM-Triumph von Wembley ist Italiens Fußball wieder am Tiefpunkt angelangt. «Es tut extrem weh. Wir müssen uns bei allen entschuldigen», sagte ein sichtlich mitgenommener Donnarumma, der sich als einer der wenigen in Berlin den drängenden Fragen stellte. In den Schock und die Fassungslosigkeit mischten sich noch in der Nacht erste sorgenvolle Gedanken an die Zukunft.

Spalletti will «keine Entschuldigungen finden»

Trainer Luciano Spalletti, der beim mutlosen Auftritt seines Teams einmal mehr rat- und hilflos wirkte, kündigte ein Gespräch mit Verbandsboss Gabriele Gravina an. «Wir sind im Moment nicht in der Lage, mehr als das zu zeigen», räumte der 65-Jährige ein. Gedanken an einen Rücktritt ließ er nach nur zehn Monaten im Amt dennoch nicht anklingen. Es brauche in Zukunft «andere Entscheidungen» sagte er. «Es muss sich mit Sicherheit etwas ändern.» Er sehe das früheste EM-Aus seit 2004 allerdings nicht als «so skandalöses Ergebnis».

«Ich will keine Entschuldigungen finden», sagte Spalletti und verwies doch darauf, dass er nach dem viel kritisierten Abgang von Europameister-Coach Roberto Mancini nur wenig Zeit zur Vorbereitung mit der Mannschaft gehabt habe. «Wir hatten einige verletzte Spieler, auf die ich gezählt hatte.» Auch Donnarumma versicherte, der Trainer werde «die richtigen Lösungen» finden. Doch das Urteil der italienischen Öffentlichkeit über Spalletti fiel weitaus weniger nachsichtig aus. «Was für Fehler, Luciano», titelte die «Gazzetta dello Sport». «Er hat viele falsche Entscheidungen getroffen und die Vorbereitung verpatzt».

Einzig Donnarumma auf Weltklasse-Niveau

Auch Verbandspräsident Gravina steht in der Kritik und dürfte hinterfragt werden, einige Fußball-Größen wie Ex-Manager Luciano Moggi forderten bereits seinen Rücktritt. Es scheint so, als sei die wundersame Reise zum EM-Titel 2021 ein Ausrutscher gewesen und die verpassten Weltmeisterschaften 2018 und 2022 die harte italienische Fußball-Realität. «Tuttosport» nannte es ein «nationales Scheitern», der «Corriere dello Sport» «eine Schande». Die «Gazzetta dello Sport» schrieb: «Was für eine Blamage!»

Donnarumma, der beim Turnier in Deutschland als einziger Italiener konstant Weltklasse-Niveau bot, blickte noch in der Nacht der Trauer und Enttäuschung nach vorn. «Wir müssen schnell Lösungen finden, wir haben nicht viel Zeit», sagte der 25-Jährige und verwies auf die Spiele in der Nations League gegen Frankreich und Israel im September. Der Torhüter von Paris Saint-Germain urteilte: «Die Qualität ist da, daran müssen wir anknüpfen.»

Nur wenig macht Hoffnung

Doch nach den Auftritten der Squadra Azzurra in Deutschland gibt es genau daran massive Zweifel. Nur wenig macht der stolzen Fußball-Nation derzeit Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Neben Donnarumma überzeugte nur der 22 Jahre alte Abwehrspieler Riccardo Calafiori, der gegen die Schweiz gesperrt fehlte. Probleme hat der viermalige Weltmeister vor allem im Sturm, wo sowohl Gianluca Scamacca als auch Mateo Retegui komplett enttäuschten. Rechtsverteidiger Giovanni Di Lorenzo spielte ein katastrophales Turnier, im Mittelfeldzentrum erwies sich Jorginho als zu langsam und zu behäbig.

Doch auch als Spalletti vor dem Achtelfinale reagierte und für Jorginho den 23 Jahre alte Nicolò Fagioli aufbot, wurde es für Italien eher schlechter als besser. «Er und Calafiori haben gespielt, weil sie Qualität haben. Klar machen sie Fehler», verteidigte Spalletti seine Entscheidungen. «Wenn die Jungen das Potenzial zeigen, um die anderen auszustechen, bin ich der Erste, der ihnen den Raum dafür gibt.» Genau darauf wird Italiens Fußball in Zukunft hoffen müssen: Junge und hungrige Spieler, die das Team zurück in die Weltspitze bringen.

Von Miriam Schmidt, David Langenbein und Florian Lütticke, dpa