Japans goldener Start in seine Problemspiele verschafft den Olympia-Machern von Tokio eine Atempause. Nach Monaten der Ängste und Skandale sind die Jubelmeldungen aus dem Kampfsportzentrum Nippon Budokan und dem hippen Skateboard-Park Seelenbalsam für das IOC und die Organisatoren.
Endlich können Medaillen gezählt werden, nicht nur Corona-Fälle. Die olympische Bilderflut sorgt gleich zum Auftakt für Quoten-Rekorde, auch wenn in Tokio die Zuschauer draußen bleiben müssen. Die leeren Arenen, die aseptischen Siegerehrungen, die Stimmung vom Band – das ist der Preis für dieses Olympia im Notstandsgebiet.
Japanischer Gold-Rausch
Als Mark Adams, der gewiefte Sprecher des Internationalen Olympischen Komitees, am Sonntag bei einer Pressekonferenz von Yuto Horigomes Skateboard-Gold bei der Premiere der Sportart erfährt, meint er feixend: «Das kann gern jeden Tag so weitergehen.» Getreu der Vorgabe seines IOC-Dienstherrn Thomas Bach, der mit japanischen Erfolgen die Hoffnung auf ein Ende von Kritik und Widerstand gegen die Tokio-Spiele verbindet.
Am Ende des ersten Wochenendes holt Japan sogar noch Doppel-Gold durch die Judo-Geschwister Uta und Hifumi Abe und ist hinter China Zweiter im Medaillenspiegel. Die ersten Bilder von Olympia verzeichnen laut IOC in Japan Topwerte bei Zuschauern am TV und im Internet.
Japans Ministerpräsident Yoshihide Suga, wie Bach zuletzt Ziel des Unmuts im Gastgeber-Land wegen des sturen Festhaltens an Olympia, lässt eilig Glückwünsche an Judoka Naohisa Takato verbreiten. Der Mattenkämpfer hatte Japans erstes Gold in Tokio erobert und füllt am Sonntag die Titelseiten der japanischen Sportzeitungen. «Ich denke, viele waren bewegt, die Tränen eines Mannes nach dem Wettkampf zu sehen», wird Regierungschef Suga zitiert.
Der erste Gold-Held fügt sich brav der Linie der Organisatoren. «Ich kann im Moment wirklich nichts denken, aber ich bin sehr dankbar, dass die Olympischen Spiele in Tokio stattfinden konnten», sagt Takato. Sätze wie diesen sprudeln vielen Athletinnen und Athleten an diesen ersten Tagen von Tokio aus dem Mund. «Olympia im Dorf zu erleben mit den ganzen Sportlern, ist schon ein ganz besonderes Flair. Es ist natürlich ärgerlich ohne Zuschauer, aber insgesamt sehr, sehr schön», sagt der deutsche Handballer Johannes Golla.
Die Athleten arrangieren sich mit den Umständen
Nach 16 Monaten Corona und vielen Wettkämpfen ohne Zuschauer ist ein Gewöhnungseffekt eingetreten, auch wenn ein Restschmerz bleibt. «Wenn das Licht ausgeht und auf den Bahnen die Lampen an, ist da eh nur der Gegner. Es fehlt natürlich ganz viel», sagt der Säbelfechter und deutsche Athletensprecher Max Hartung. «Man gewöhnt sich leider daran. Es ist kein guter Zustand. Natürlich will man bei Olympia Emotionen haben», meint Tischtennis-Bundestrainer Jörg Roßkopf, räumt aber ein: «Jeder hat es gewusst, damit muss man jetzt zurechtkommen.»
Und nach dem jahrelangen Training und der Olympia-Verschiebung um ein Jahr ist bei den meisten Sportlern wohl tatsächlich die Freude, sich endlich auf der olympischen Bühne präsentieren zu dürfen, größer als die Traurigkeit über die Umstände. Beim Beachvolleyball, sonst bei Olympia ein bebender Partytempel, ist das Zirpen der Zikaden zwar bisweilen das lauteste Geräusch auf dem Court. Doch Deutschlands Fahnenträgerin Laura Ludwig stört das in ihrem Wettkampf-Tunnel nicht. «Man vergisst das teilweise wirklich, dass da keine Zuschauer sind», versichert die Rio-Olympiasiegerin.
So ganz lassen sich die Fans am ersten Wochenende aber dann doch nicht von den Spielen fernhalten. Trotz aller Warnungen strömen viele Japaner bei den Radrennen in Tokio an die Strecke. «Die Leute werden ungeduldig und hören nicht mehr auf die Regierung», sagt Politikprofessor Koichi Nakano von der Sophia University in Tokio der Deutschen Presse-Agentur.
Pandemie-müde sind offenbar auch einige Schwimmer, die bei den ersten Medaillen-Zeremonien am Sonntag auf dem Siegerpodium das Maskengebot missachten und sich auch noch beim Umarmen erwischen lassen. IOC-Sprecher Adams erteilt prompt eine Rüge: «Wir verstehen die freudige Aufregung und fühlen mit den Athleten, aber leider mussten wir die Regeln strenger machen.» Dass Funktionäre wie Oberkellner auf einem Tablett die Medaillen servieren, wird als Bild dieser Spiele in Erinnerung bleiben.
Gesprächsthema am ersten Olympia-Wochenende liefert auch die Hitze in Tokio, die den Outdoor-Sportlern zu schaffen macht. Beim Tennis werden deshalb längere Pausen erlaubt. Und dann rollt noch der Taifun «Nepartak» in Richtung Tokio. Erwartet werden heftige Regenfälle, stürmische Winde und hoher Wellengang. Wasserspringer Patrick Hausding lässt sich davon nicht beeindrucken. «Ich bin schon im Wasser. Wenn noch mehr Wasser kommt, ist es auch nicht so wild», sagt der Fahnenträger schelmisch.