Inmitten der Lava-Felder auf dem Ätna breitete Lennard Kämna die Arme aus, dann klopfte er sich auf die Brust und zeigte mit dem Finger gen Himmel. Die deutsche Rad-Hoffnung hat sich auf dem Vulkan eindrucksvoll zurückgemeldet und seinen ersten Etappensieg beim Giro d’Italia gefeiert.
Der 25-Jährige holte sich nach 172 Kilometern den Sieg auf der 1892 Meter hohen Bergankunft vor dem spanischen Mitausreißer Juan Pedro Lopez, dem als Trostpreis das Rosa Trikot des Niederländers Mathieu van der Poel blieb.
«Ich bin sehr glücklich, dass es mit dem Etappensieg geklappt hat. Der frühe Sieg nimmt uns den Druck. Es läuft für uns in die richtige Richtung», sagte Kämna, der mit 39 Sekunden Rückstand auch auf dem zweiten Platz der Gesamtwertung hinter Lopez liegt. Doch das Rosa Trikot war auf der vierten Etappe nicht das Ziel. «Es war ein super harter Tag. Als Lopez weggezogen war, dachte ich schon, dass ich die Etappe nicht mehr gewinnen kann.»
«Das Gefühl wird besser und besser»
Für Kämna war es der zweite Tagessieg bei einer großen Rundfahrt, nachdem er 2020 bei der Tour de France in Villard-de-Lans triumphiert hatte. «Ich bin der gleiche Fahrer wie 2020 mit den gleichen Fähigkeiten. Das Gefühl wird besser und besser von Rennen zu Rennen», sagte Kämna.
Noch vor einem Jahr hatte sich der frühere Junioren-Weltmeister eine Auszeit auch wegen mentaler Probleme genommen, erst nach fast neun Monaten kehrte er im Februar zurück. Seitdem konnte er nun schon drei Tagessiege feiern, was sein großes Potenzial dokumentiert.
Der hochtalentierte Norddeutsche hatte sich mit 13 weiteren Ausreißern früh vom Feld abgesetzt und einen großen Vorsprung herausgefahren. Am Ätna war es dann ein Ausscheidungsfahren, bei dem Kämna seine Bergqualitäten zeigte. Die Gruppe der Topfavoriten erreichte 2:37 Minuten hinter Kämna das Ziel, auch Podiumsanwärter Emanuel Buchmann hatte keine Probleme, das Tempo mitzugehen. Er rückte damit auf Gesamtrang 21 vor.
Taktisch überragend am Berg
Aber der Mann des Tages war Kämna. Damit hat der Fahrer vom Team Bora-hansgrohe sein Giro-Ziel mit dem Etappensieg bereits erreicht. Schon beim Auftakt in Ungarn hatte Kämna mit einer scharfen, aber glücklosen Attacke auf der ersten Etappe und einem achten Platz im Einzelzeitfahren am zweiten Tag überzeugt.
Taktisch überragend präsentierte sich Kämna am Berg. Bis rund sechs Kilometer vor dem Ziel hielt er sich in der Ausreißergruppe zurück, dann zündete er den Turbo. Mit Leichtigkeit holte er den vorher enteilten Lopez ein. Zusammen fuhr das Duo Richtung Ziel. Lopez hatte dem Deutschen nichts entgegenzusetzen und begnügte sich mit der Gesamtführung.
Auf dem Weg zum Ätna hatte es nach dem Start in Avola einige Stürze gegeben. Dabei war auch ein Motorrad zu Fall gekommen, wodurch unter anderem Roger Kluge mitgerissen wurde. Der frühere Bahnrad-Weltmeister konnte aber die Fahrt fortsetzen. Auch Mitfavorit Simon Yates stürzte, konnte aber nach einer Behandlung beim Giro-Arzt weiterfahren.
Am Mittwoch wird die Italien-Rundfahrt mit der fünften Etappe über 174 Kilometer von Catania nach Messina, der Heimatstadt von Radstar Vincenzo Nibali, fortgesetzt.