Abgekämpft und müde wollte Alexander Zverev einfach nur ins Bett. Die nächtliche Interviewrunde nach seinem erneuten Vier-Stunden-Kraftakt absolvierte der Tennisstar dennoch mit einem Lächeln im Gesicht.
«Ich bin viel glücklicher, wenn ich nachts um drei Uhr noch im Turnier bin als nachmittags um drei Uhr raus aus dem Turnier», sagte der 27-Jährige und verließ das Stade Roland Garros rund drei Stunden vor dem Sonnenaufgang in Paris: «Ich bin einfach froh, dass ich überlebt habe und jetzt im Viertelfinale bin.»
Aus für Djokovic
Anders als Titelverteidiger Novak Djokovic, der am Dienstag wegen einer Knieverletzung sein Aus beim Grand-Slam-Turnier auf Sand bekannt gab, darf Zverev weiter auf den Titel hoffen. Am Mittwochabend (nicht vor 20.15 Uhr/Eurosport) kämpft der Hamburger gegen den Australier Alex De Minaur um den Halbfinaleinzug.
Im Achtelfinale wandte der 27-Jährige wie schon in der Runde zuvor gegen den Niederländer Tallon Griekspoor ein frühes Ende seiner Titelmission mit großen Comeback-Qualitäten erst nach fünf Sätzen ab. Zverev rang den lange Zeit frech aufspielenden Dänen Holger Rune nach einem 1:2-Satzrückstand noch mit 4:6, 6:1, 5:7, 7:6 (7:2), 6:2 nieder und zog zum sechsten Mal ins Viertelfinale von Paris ein. Das beeindruckte auch Tennis-Ikone und Eurosport-Experte Boris Becker: «Was für ein Kämpfer vor dem Herrn!»
Er wolle «so schnell wie möglich zurück zum Hotel», sich dort noch kurz behandeln lassen, schlafen gehen «und dann werde ich hoffentlich morgen frisch sein», sagte Zverev. Eine gute Regeneration wird er brauchen, auch wenn er im Viertelfinale gegen De Minaur der Favorit ist. Von den neun direkten Duellen hat Zverev sieben gewonnen, De Minaur fühlt sich zudem auf dem Hartplatz deutlich wohler.
Zverev warnt vor De Minaur
Doch der Weltranglisten-Elfte überraschte am Montag mit seinem Achtelfinalsieg über den deutlich höher eingeschätzten Russen Daniil Medwedew. «Alex hat ein unglaubliches Match gegen Medwedew gespielt, wirklich super Tennis gezeigt», warnte Zverev: «Ich gehe davon aus, dass es wieder ein schwieriges Match wird.»
Ob er die Kraft für drei weitere Fünf-Satz-Duelle bis zum ersehnten ersten Grand-Slam-Titel habe, wurde Zverev in der Medienrunde gefragt. «Ich will «Ja» sagen», antwortete der Weltranglisten-Vierte schmunzelnd: «Ich hoffe aber, dass ich auch irgendwann mal nicht in fünf Sätzen gewinne.»
Dabei weist die deutsche Nummer eins in dieser Hinsicht eine herausragende Bilanz auf: Von elf Fünf-Satz-Matches in Paris gewann Zverev zehn. Und noch eine andere Statistik beweist seine riesige Qualität in der Crunchtime: Seine Tiebreak-Bilanz bei den French Open steht bei 22:2 – ein phänomenaler Wert!
«In den Momenten musst du einfach ruhig bleiben», erklärte Zverev das Erfolgsgeheimnis: «Durch die Schmerzen gehen und einfach durchhalten.» Auch der parallel in Berlin stattfindende Prozess gegen ihn wegen des Vorwurfs der Körperverletzung an seiner damaligen Freundin scheint Zverev nicht in seinem Fokus zu stören.
Dass er in seinen zwei jüngsten Matches insgesamt 8:25 Stunden auf dem Platz stand, könne er aber nicht allein mit ein bisschen Regeneration aus dem Körper schütteln. «Das kriegt man durch die Arbeit raus, die du jahrelang gemacht hast», erklärte er. Sein ultimativer Lohn dafür soll der «Coupe des Mousquetaires» sein, die Trophäe für den Sieger der French Open. Und die Zeichen dafür stehen gut.
Kein 25. Grand-Slam-Titel für Djokovic
Für Titelverteidiger Djokovic ist das Turnier dagegen bereits beendet. Der serbische Tennisstar zog seinen Start im Viertelfinale gegen den Norweger Casper Ruud wegen einer Meniskusverletzung im rechten Knie zurück. Durch die Absage wird der 37-jährige Djokovic nicht nur auf seinem angestrebten Weg zum 25. Grand-Slam-Turniersieg gestoppt, er verliert auch den ersten Platz in der Weltrangliste an Jannik Sinner. Der 23-Jährige, der durch ein 6:2, 6:4, 7:6 (7:3) gegen den Bulgaren Grigor Dimitrow ins Halbfinale einzog, wird nach dem Turnier der erste Italiener an der Spitze der Weltrangliste.
«Das ist eine schwere Verletzung und die geht auch nicht morgen wieder weg. Das macht mich ein bisschen sprachlos», sagte Djokovics Ex-Trainer Boris Becker bei Eurosport. Die Tennis-Ikone gratulierte aber Sinner: «Das ist ein historischer Moment im Tennis – eine neue Nummer eins, die gerade spielt und noch gar nichts davon weiß. Ganz verrückt. Italien wird ihn feiern!»
Djokovic war bei seinem Fünf-Satz-Sieg am Montag gegen den Argentinier Francisco Cerúndolo auf dem Sand im Court Philippe Chatrier weggerutscht und hatte sich dabei das rechte Knie verletzt. Schon während des Matches hatte sich der Serbe deswegen beim Oberschiedsrichter beschwert: «Ich habe mir das Knie verrenkt. Ich rutsche und schlittere die ganze Zeit.»