Kane reist verletzt zur Auswahl – «Kein Risiko eingehen»

Seinen persönlichen Tor-Rekord konnte Harry Kane nicht so recht genießen. Nach dem lockeren 5:2-Sieg des FC Bayern gegen Aufsteiger Darmstadt 98 humpelte der Topstürmer mit einem dicken Knöchel direkt aus dem Stadion, statt sich von den mitgereisten Fans für seinen 31. Saisontreffer feiern zu lassen. «Es ist ein wenig schmerzhaft», berichtete Kane, der dennoch zur Nationalmannschaft reiste.

Der Kapitän werde dort «in enger Absprache mit der medizinischen Abteilung des FC Bayern» von den Teamärzten behandelt, teilten die Münchner am Sonntag, als sie eine nicht genauer diagnostizierte Verletzung am linken Sprunggelenk bestätigten. 

Trainer Thomas Tuchel und die Club-Bosse werden aus der Ferne genau verfolgen, wie es dem Bayern-Torgaranten geht – und ob er angeschlagen eingesetzt wird. «Wir sind in enger Abstimmung. Er wird kein Risiko eingehen», sagte Sportdirektor Christoph Freund und ergänzte: «Wir hoffen, dass es nicht so schlimm und er bald wieder auf dem Platz zurück ist.» 

Kane-Einsatz gegen Dortmund und Arsenal?

Ein Ausfall des 100-Millionen-Euro-Einkaufs käme für die Münchner zur Unzeit, steht direkt nach der Länderspielpause doch der Klassiker gegen Borussia Dortmund an. Im April folgen dann die Viertelfinalduelle in der Königsklasse mit dem FC Arsenal, in denen es für die Bayern um die wohl letzte Titelchance in dieser Saison geht. 

«Er ist umgeknickt und musste den Knöchel komplett mit Eis kühlen. Wir hoffen, dass es bei dem Schreckmoment bleibt», sagte Tuchel am Samstag im Anschluss an den gelungenen Auftritt des Rekordmeisters beim abgeschlagenen Tabellenletzten der Fußball-Bundesliga. «Wenn Harry freiwillig vom Feld geht, besteht ein kleiner Anlass zur Sorge, denn er will immer Tore erzielen.» Hinzu kommt, dass Kane in seiner Laufbahn schon öfter wegen einer Knöchelverletzung pausieren musste.

31 Tore sind eine Klasse für sich

Für die anspruchsvollen Aufgaben wird Kane dringend benötigt. Schon jetzt hat er mit 31 Bundesligatreffern nicht nur eine persönliche Karriere-Bestmarke aufgestellt, sondern auch den Uralt-Rekord von Uwe Seeler als erfolgreichster Debütant geknackt. Seeler erzielte in der Premierensaison 1963/64 in 30 Spielen 30 Tore, Kane hat es in nur 25 Partien bereits auf eins mehr gebracht.

«Es ist unglaublich und sensationell, wenn man das erste Mal in einem neuen Land ist und dann gleich so einschlägt. Er ist ein richtig guter Stürmer und ein richtig guter Typ, der unserer Mannschaft nicht nur wegen seiner Tore sehr guttut», lobte Freund den Torjäger. Entwarnung gaben die Münchner bei Neu-Nationalspieler Aleksandar Pavlovic nach dessen Kopfverletzung. Dagegen fällt Raphael Guerreiro zum dritten Mal in dieser Saison mit einer Muskelverletzung aus.

Kane, der mit seinem Treffer kurz vor der Pause dem Bundesliga-Rekord von Robert Lewandowski (41) wieder ein Stück näher kam, hatte sich seine Verletzung in der Schlussphase ohne gegnerische Einwirkung zugezogen. Auf der Jagd nach einem weiteren Tor prallte der englische Nationalspieler gegen den Pfosten und knickte dann im Tornetz um. 

Musiala verzückt auch Darmstadts Trainer

Es war der einzige Wermutstropfen an einem aus Bayern-Sicht ansonsten rundum gelungenen Fußball-Nachmittag, den vor allem Doppel-Torschütze Jamal Musiala prägte. Der 21-Jährige sprühte vor Spiellaune und begeisterte damit auch Tuchel. «Er hat ein sehr gutes Niveau erreicht und ist spielentscheidend für uns. Er fühlt sich wohl und ist fit. Die Entscheidungsfindung zwischen Dribblings und Passspiel ist gerade sehr gut», lobte der Bayern-Trainer den überragenden Mittelfeldspieler. 

Selbst Darmstadts Trainer Torsten Lieberknecht geriet ins Schwärmen. «Wenn man nicht direkt beteiligt ist als gegnerische Mannschaft, ist es ein Hochgenuss, dem Jungen zuzuschauen. Deutschland kann sich glücklich schätzen, dass wir solch einen Spieler haben. Mit ihm können wir Europameister werden», sagte Lieberknecht. 

Bayern-Torwart Manuel Neuer adelte Musiala als «Unterschiedsspieler. Er ist schwer zu stoppen, auch in der Box», sagte Neuer. Er selbst steht bei den Länderspielen in Frankreich und gegen die Niederlande vor seiner Rückkehr ins DFB-Tor. «Ich konzentriere mich auf mich, auf meine Leistung und werde bei der Nationalmannschaft wieder alles geben. Der Trainer wird dann entscheiden», sagte der 37 Jahre alte Schlussmann zu seinen Chancen, nach der langen Pause wieder die Nummer eins zu werden. Zuletzt war Neuer bei der Winter-WM 2022 im Einsatz. 

Der Sieg beim Schlusslicht rundete für ihn eine tolle Woche ab, nachdem er wenige Tage vor der Partie zum ersten Mal Vater geworden war. «Das kann man natürlich mit dem Sport nicht vergleichen. Deshalb ist es privat das größte Glück», sagte Neuer über die Geburt seines Sohnes. Die soll ihn nun auch im DFB-Trikot beflügeln.

Von Eric Dobias, dpa