Kehl nach Reifezeugnis in San Siro: «Richtiges Statement»

Für Sportdirektor Sebastian Kehl war es ein «richtiges Statement», für Leitwolf Mats Hummels ein «Zeichen des Erwachsenwerdens». Der 3:1 (1:1)-Coup von San Siro bereitete allen Dortmundern nach stürmischen Wochen mit viel Gegenwind besonders viel Freude. Anders als zuletzt in der Bundesliga präsentierte sich die Borussia in der Champions League als reife Mannschaft auf stabilem Niveau. 

«Dass wir in Newcastle und Mailand zwei Auswärtsspiele hintereinander gewonnen haben, zeigt, dass wir eine andere Truppe als in den letzten Jahren geworden sind. Die Spiele sind weniger geworden, in denen man uns einfach auffressen kann», kommentierte Hummels den verdienten Erfolg über Milan und den vorzeitigen Einzug in das Achtelfinale in der wohl schwersten Gruppe F.

Das Handy von Hans-Joachim Watzke stand nach Abpfiff nicht mehr still. «Es ist explodiert mit Glückwünschen aus aller Herren Länder», verriet der BVB-Geschäftsführer den «Ruhr Nachrichten». «Wir haben in der Champions League eine glänzende Visitenkarte angegeben und spielen bisher eine gute Saison.»  

Gruppensieg ist greifbar

Entgegen den Erwartungen vieler Experten ließ der BVB die Teams aus Newcastle und Mailand hinter sich und kann bereits mit einem Unentschieden am letzten Vorrundenspieltag am 13. Dezember im Heimspiel gegen das um drei Punkte schlechter platzierte Starensemble von Paris Saint-Germain die Tabellenführung verteidigen. «Wir sind noch nicht auf dem Niveau der ganz großen Mannschaften, das muss man ehrlich sagen. Aber es ist gut genug, um an einem guten Tag in der Champions League zu bestehen. Heute können wir stolz sein», befand der überragende Hummels. Ähnlich zufrieden wirkte Trainer Edin Terzic: «Wir sind sehr glücklich, dass wir uns in der Todesgruppe vorzeitig qualifiziert haben.» 

Nur wenige Wochen nach den indiskutablen Auftritten in der Bundesliga gegen die Bayern (0:4) und in Stuttgart (1:2) rief seine Mannschaft in Mailand ihr großes Potenzial ab. Den Grundstein zum Sieg legte Torhüter Gregor Kobel mit einem gehaltenen Handelfmeter gegen Olivier Giroud (6. Minute). Die Tore von Marco Reus (10./Foulelfmeter), Jamie Bynoe-Gittens (59.) und Karim Adeyemi (69.) waren der verdiente Lohn für eine abgezockte Vorstellung. «Das haben uns nicht viele zugetraut», sagte Kehl, «wir mussten in den letzten Tagen einiges einstecken. Aber nach dem Sieg über Gladbach und dem Sieg heute ist die Mannschaft auf einem richtig guten Weg.»

Selbst die Erkältungswelle, von der mehrere Profis betroffen waren, brachte den BVB nicht ins Wanken. Das nötigte Trainer Terzic großen Respekt ab: «Wir sind mit ein paar Jungs auf der letzten Rille gewesen. Die Jungs haben sich heute durchgebissen. Da hat man gesehen, zu was man in der Lage ist, wenn man alles für den Sieg investiert.» 

«Fußballgott» Mats Hummels

Maßgeblichen Anteil am Erfolg hatte der 34 Jahre alte Routinier Hummels. TV-Experte Matthias Sammer bescheinigte ihm eine «Weltklasseleistung», Trainer Coach Terzic verglich ihn gar mit dem einstigen Dortmunder «Fußball-Gott» Jürgen Kohler. Hummels gab das Lob an seine Mitstreiter weiter: «Heute haben alle gewollt, alle gekämpft. Das hat Spaß gemacht.»

Viel Freude bereitet den Dortmundern derzeit auch Bynoe-Gittens. Der erst 19 Jahre alte Dribbelkünstler traf nur drei Tage nach seinem Tor gegen Mönchengladbach (4:2) erneut und holte zudem den Elfmeter zur wichtigen 1:0-Führung durch Reus heraus. «Das war eine richtig gute Woche für ihn. Der Junge ist in der Mannschaft extrem akzeptiert, weil er hart dafür gearbeitet hat. Er kann für uns den Unterschied ausmachen», sagte Kehl. 

Bereits am kommenden Sonntag (17.30 Uhr/DAZN) ist der BVB im Bundesliga-Topspiel beim bisher ungeschlagenen Tabellenführer aus Leverkusen erneut mächtig gefordert. Aber nach dem Sieg in Mailand ist das Selbstvertrauen gewachsen. Dennoch schätzt Hummels die kommende Aufgabe als anspruchsvoller ein: «Leverkusen ist eine Mannschaft, die man aktuell über Milan sehen muss. Sie spielen einen fantastischen Fußball. In Deutschland ist das die derzeit schwerste Aufgabe.»

Von Heinz Büse, dpa