Kerber erreicht zum vierten Mal Halbfinale in Wimbledon

Auf dem Papier ist es nur ein Sieg bis zum dritten Wimbledon-Finale, für Angelique Kerber dagegen ein riesiger Schritt.

Und an einen zweiten Triumph beim Rasen-Klassiker mag die Siegerin von 2018 gar nicht denken. «Für mich ist das Endspiel noch weit weg», sagte Kerber fast gebetsmühlenartig nach dem nächsten starken Auftritt in London beim 6:2, 6:3 über die Tschechin Karolina Muchova am Dienstag.

Die kommende Aufgabe an diesem Donnerstag gegen die Weltranglisten-Erste Ashleigh Barty aus Australien könnte denn auch nicht schwieriger sein – zumindest auf dem Papier.

«Muss mein bestes Tennis spielen»

«Ich muss mein bestes Tennis spielen, und sie wird mich dazu antreiben», prophezeite Kerber vor dem fünften Duell der beiden – bislang steht es 2:2. «Das ist der ultimative Test. Ich liebe es, gegen Angie zu spielen, sie ist ein unglaubliche Wettkämpferin», sagte Barty. Die 25-Jährige gewann zuvor das australische Duell mit Ajla Tomljanovic 6:1, 6:3.

Im anderen Halbfinale trifft die frühere Weltranglisten-Erste Karolina Pliskova aus Tschechien auf die an Nummer zwei gesetzte Aryna Sabalenka aus Belarus. Sabalenka steht nach dem 6:4, 6:3 über die Tunesierin Ons Jabeur erstmals in einem Grand-Slam-Halbfinale, der stark aufschlagenden Pliskova gelang dies nun bei allen vier großen Turnieren. Die 29-Jährige schlug Viktorija Golubic aus der Schweiz 6:2, 6:2. Das Semifinale ist also stark besetzt.

Kerber stand schon 2012 und 2016 im Wimbledon-Halbfinale, vor fünf Jahren erreichte sie zum ersten Mal das Endspiel des auf Rasen ausgetragenen Grand-Slam-Turniers, verlor aber gegen Serena Williams. 2018 gelang ihr die Revanche – es war der dritte Grand-Slam-Titel nach den Siegen 2016 in Australien und bei den US Open.

Am Dienstag durften erstmals alle Zuschauerplätze in Wimbledon wieder besetzt werden – und die Fans sahen eine Angelique Kerber in Titelform. Ungläubig schloss die 33-Jährige nach dem klaren Erfolg über Muchova die Augen. «Ich bin so glücklich, im Halbfinale zu sein», sagte Kerber. Von so einen Erfolg schien sie nach schwierigen Monaten noch vor kurzem Lichtjahre entfernt.

Auf die Rasensaison gefreut

Wieder betonte die einstige Nummer eins der Welt unmittelbar nach dem Match, wie sehr sie die Zeit in London genießt, wo im Vorjahr wegen der Corona-Pandemie nicht gespielt werden konnte: «Ich habe mich so auf die Rasensaison gefreut. Ich bin so glücklich, mein Tennis zu spielen, zu kämpfen und mein Herz auf dem Platz zu lassen.»

Die Zuschauer auf dem 12 345 Fans fassenden, aber nicht ganz gefüllten Platz Nummer eins sahen unter dem wegen Regens geschlossenen Dach sofort eine hochkonzentrierte Kerber. Die drei ersten Spiele waren jeweils umkämpft, alle gingen an die Norddeutsche – auch weil Muchova mit dem einen oder anderen Fehler half. Doch Kerber zeigte auch Weltklasse-Schläge, wirkte bissig und nutzte ihre Chancen. Eine missratene Rückhand von Muchova bescherte der 28. der Weltrangliste den glatten Satzgewinn.

Die sechs Ränge besser platzierte Muchova besaß direkt danach drei Chancen in Serie, Kerber das Aufschlagspiel abzunehmen. Doch im dritten Vergleich der beiden bewies die Gewinnerin von drei Grand-Slam-Titeln Nervenstärke und ging auch in Durchgang zwei in Führung. Zum 1:2 kassierte sie nach zu vielen Fehlern dann aber doch das Break gegen Muchova. Die 24-Jährige hatte schon vor zwei Jahren das Viertelfinale in Wimbledon erreicht und am Jahresanfang bei den Australian Open sogar erstmals ein Grand-Slam-Halbfinale.

Auf dem angestrebten Weg in ihr achtes Semifinale bei einem der vier wichtigsten Turniere bekam Kerber immer wieder Hilfe, wenn Muchova bei den Grundschlägen das Tempo anzog und den Ball dann nicht ins Feld platzierte. Die auch am Netz auftauchende und Stoppbälle spielende Tschechin ermöglichte so nicht nur das schnelle Rebreak sondern sogar eine 5:2-Führung und konnte es nicht fassen, dass sie einfach nicht richtig in die Begegnung kam. Kerber nutzte nach nur 75 Minuten den zweiten Matchball – dank eines Fehlers von Muchova.

Von Robert Semmler, dpa