Die Lobeshymnen von Joe Biden und Bill Clinton waren kaum verklungen, da wurde der historische LeBron James schon mit dem nächsten Meilenstein konfrontiert. Die personifizierte Basketball-Wucht Shaquille O’Neal fragte den besten Punktesammler der NBA-Geschichte, ob man ihn nun auch offiziell als größten Basketballer der Geschichte bezeichnen könne.
Und James, der den Abend wieder und wieder als «surreal» bezeichnete, sagte ohne große Bescheidenheit: «Jeder hat seinen Favoriten, jeder entscheidet das für sich selbst. Ich weiß, was ich gebracht habe, und ich habe das Gefühl, dass ich der Beste bin, der dieses Spiel je gespielt hat.»
Zumindest bei den erzielten Punkten kann man ihm nicht mehr widersprechen. 38.390 Zähler stehen für den 38 Jahre alten Superstar der Los Angeles Lakers zu Buche, damit hat James den knapp vier Jahrzehnte alten Wert von Kareem Abdul-Jabbar (38.387) übertroffen und sich einen Rekord gesichert, den viele eine Bestmarke für die Ewigkeit nannten. «Gratulation LeBron. Du hast die Nation inspiriert, besser zu werden. Mach weiter so!», sagte in einer Videobotschaft US-Präsident Joe Biden, der unter vielen großen Gratulanten der prominenteste war.
Spontane Unterbrechung
Als James den Rekord beim 130:133 seiner Lakers gegen die Oklahoma City Thunder gebrochen hatte, wurde die Basketball-Partie kurz vor Ende des 3. Viertels spontan für eine Zeremonie unterbrochen. Der inzwischen 75 Jahre alte Abdul-Jabbar erhob sich von seinem Sitz und klatschte, seinem Nachfolger überreichte er auf dem Parkett symbolisch einen Basketball. «LeBron hat dieses Spiel von Anfang an dominiert. Er macht das seit fast 20 Jahren. Man muss ihm Respekt zollen, wie er dominiert und wie er seine Teams zu Meisterschaften geführt hat», sagte Abdul-Jabbar.
Die Debatte, ob Michael Jordan oder James der beste Basketballer der Geschichte ist, wird damit wieder an Fahrt aufnehmen. Deutschlands abgetretener Star Dirk Nowitzki hatte sich in dieser Frage bereits an Weihnachten positioniert. «Ich sage immer, Michael Jordan ist der Größte aller Zeiten, aber wenn James in der ewigen Scoringliste an Kareem Abdul-Jabbar vorbeizieht, gehen mir irgendwie die Argumente für Michael aus», sagte Nowitzki, der in dem Punkteranking selbst auf Platz sechs steht.
Die 38.390 Zähler sind definitiv nur eine Zwischenstation, denn der auch in seiner 20. Saison überragende James will noch einige Jahre weitermachen – und auf seinen 18 Jahre alten Sohn Bronny warten, um mit ihm in einem Team spielen zu können.
James‘ Familie war in die Arena in Kalifornien gekommen, um den Meilenstein live zu erleben. «Ich bin stolz auf dich. Du hast es geschafft, du solltest dich feiern. Du verdienst all den Respekt und all die Blumen. Ich bin wahnsinnig stolz auf dich», sagte seine Frau Savannah in Richtung des viermaligen NBA-Champions.
James gerührt
Nach seinem historischen Treffer hob James beide Arme in die Luft, dann überwältigte ihn der Moment. Die spontane Zeremonie auf dem Spielfeld rührte James zu Tränen. «In der Gegenwart von jemandem so einzigartigem wie Kareem zu sein, ist herausragend. Bitte einen Applaus für den Captain. Applaus auch für meine Mutter, meine Frau, meine Kinder. Ich wäre nicht ich ohne eure Hilfe», sagte James. Ein Stück des Lobes gab Abdul-Jabbar später zurück. Minutenlang lobte er die sportlichen Verdienste des Basketball-Stars, dann sagte er: «Noch größere Verdienste als auf dem Feld hat er daneben.»
Die Liga, ihre Stars und frühere Größen verneigten sich vor dem neuen Rekordhalter. NBA-Boss Adam Silver, der als dritte Person neben James und Abdul-Jabbar Teil der Zeremonie war, sagte: «Es ist eine überragende Leistung, die für seine anhaltende Exzellenz über 20 Spielzeiten in der Liga spricht. Erstaunlicherweise spielt LeBron weiter auf Topniveau. Seine Basketball-Geschichte wird weiter geschrieben.» Ex-Präsident Bill Clinton gratulierte ebenfalls und scherzte, dies sei nicht schlecht für einen «Pass-First-Spieler». James wurde vor allem in den Anfangsjahren seiner Laufbahn vorgeworfen, den Ball in entscheidenden Situationen lieber abzugeben anstatt selbst zu werfen.
Wegen der Größe des Ereignisses geriet die erneute Niederlage der Lakers um James und den deutschen Nationalspieler Dennis Schröder völlig in den Hintergrund. Doch für die Kalifornier wird es immer schwerer, in dieser Saison überhaupt die Playoffs zu erreichen. «Ich werde ein paar weitere Jahre spielen. Es geht nur um meinen Kopf», sagte James nach der Partie. Er habe immer noch das Gefühl, dass er dabei helfen könne, Meisterschaften zu gewinnen. In dieser Spielzeit wird das immer schwieriger.
Ausgewählte Meilensteine aus James‘ Karriere:
Draft – Juni 2003
James‘ Weg in die NBA startete am 26. Juni 2003, als er in einer starken Draft-Klasse wie erwartet an Position eins gedraftet wurde. Der Small Forward kam direkt von der Highschool zu seinem Heimatclub Cleveland Cavaliers und galt als eines der größten Versprechen der Ligageschichte. Spitzname bereits zu diesem Zeitpunkt: «The Chosen One» (Der Auserwählte).
Erster MVP-Titel – Mai 2009
In der Saison 2008/09 wurde James erstmals zum wertvollsten Spieler der Liga gewählt. 109 von 121 Stimmen erhielt der Cavs-Profi damals, der Sieg vor Kobe Bryant und seinem späteren Teamkollegen Dwyane Wade war die erste größere Auszeichnung.
The Decision – Juli 2010
Seinen Wechsel von Cleveland zu den Miami Heat, wo er mit Wade und Chris Bosh ein Superstar-Trio bildete, inszenierte James mit einer eigenen TV-Sendung. In der Vorstellung in der Arena vollendete der Star eine Moderation, wonach er mehrere Meisterschaften nach Miami bringen werde, so: «Nicht zwei, nicht drei, nicht vier, nicht fünf, nicht sechs, nicht sieben.» Die Zuschauer lachten, James wurden die arroganten Aussagen lange vorgehalten. In Cleveland verbrannten sie seine Trikots.
Final-Niederlage gegen Nowitzki – Juni 2011
Vor allem ein Jahr später, als die Heat die Finalserie gegen Dirk Nowitzki und seine Dallas Mavericks verloren. James und Wade mokierten sich während der Serie hustend über den kränklichen Nowitzki – wenige Tage später waren die Texaner Meister, der in den Endspielen schwache James und seine Heat gingen leer aus.
Erste Meisterschaft – Juni 2012
Im Sommer 2012 rehabilitierte sich das Superstar-Team aus Florida. Das 4:1 im Finale gegen Oklahoma City bedeutete die erste Meisterschaft für James. Im Jahr darauf folgte der zweite Titel. Nach einer Finals-Niederlage 2014 wechselte James zurück nach Cleveland – mit dem Ziel, seinem Heimatclub ebenfalls eine Meisterschaft zu bescheren.
Titel mit Heimatclub Cleveland – Juni 2016
Dies gelang im zweiten Anlauf ausgerechnet gegen die Superstartruppe der Golden State Warriors, die zuvor den Siegerekord der Chicago Bulls um Michael Jordan verbessert hatten. James und die Cavaliers lagen 1:3-Siege hinten und gewannen dann drei Partien in Folge. Ein Block des Starspielers gegen André Iguodala wird zur Szene des dramatischen sieben Finalspiels.
Vorbei an Kobe – Januar 2020
Im Januar 2020 zieht James am ehemaligen Lakers-Star Bryant vorbei, mit dem ihn über ein Jahrzehnt eine innige Rivalität verbunden hatte. Bryant kommt nur kurze Zeit später bei einem Hubschrauber-Unglück ums Leben. «Ich bin untröstlich und am Boden zerstört, mein Bruder! Mann, ich liebe dich, großer Bruder», schrieb James nach dem tragischen Fall in einer emotionalen Botschaft.
Krönung mit den Lakers – Oktober 2020
Knapp neun Monate später gewannen James und die Lakers, zu denen er im Sommer 2018 gewechselt war, die NBA-Meisterschaft im Finale gegen seinen Ex-Club Miami Heat. «King James» widmet den Titel dem im Januar verstorbenen Bryant und dessen Tochter Gianna. Es ist die vierte Meisterschaft für James, der jedes Mal auch zum wertvollsten Spieler der Finalserie gewählt wird.