Klassiker-Rarität mit Brisanz – Hoeneß: Alternativen finden

Thomas Tuchel lachte laut, als seine Meinung in der durch das Alonso-Votum verkomplizierten Münchner Trainer-Situation gefragt war. «Hahaha – ja, gut, nächste Frage. Ich werde mich ganz sicher nicht in die Nachfolge-Diskussion einmischen», sagte der grinsende Bayern-Coach. Die Klassiker-Rarität, bei der Harry Kane dabei ist, Manuel Neuer aber verletzt fehlt, bekommt neben aller üblicher Brisanz durch die veränderte Lage auf dem Trainer-Markt eine neue Facette.

Das oftmals als Titelkampf-Finale gehypte Rückrunden-Duell zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund am Samstag (18.30 Uhr/Sky) findet erstmals seit fast anderthalb Jahrzehnten ohne Tabellenführer statt – aber dafür mit umso mehr Trainer-Diskussionen. Erst recht nach dem Ja von Xabi Alonso zu einem weiteren Jahr mit Bayer Leverkusen. «Das ist Xabis Entscheidung», sagte Tuchel schon vor der offiziellen Verkündung. «Ich glaube nicht, dass es Sinn macht, dass ich die kommentiere.»

Hoeneß: Management muss Alternativen finden

Ehrenpräsident Uli Hoeneß hob in der sich anbahnenden Entscheidungsphase des von Liverpool bis München umgarnten Bald-Meistertrainers Alonso, «die Aufgabe des sportlichen Managements» hervor, «Alternativen zu suchen und zu finden». Ist Österreichs Nationalcoach Ralf Rangnick eine? Roberto De Zerbi vom englischen Erstligisten Brighton & Hove Albion? Oder am Ende doch eine erstaunliche wie unerwartete Idee mit Bundestrainer Julian Nagelsmann, der auch schon als Nachfolger von Edin Terzic bei Borussia Dortmund ins Gespräch gebracht wurde?

Terzic steht in Dortmund trotz Vertrages bis 2025 unter stetiger Erklärungsnot und Dauerdruck. Ein Sieg im deutschen Clásico wäre nach zuletzt vier Erfolgen am Stück auch ein persönlicher Befreiungsschlag. «Wir dürfen uns nur wenig Ausrutscher leisten – unabhängig von der Stärke des Gegners», sagte der 41-Jährige. Terzic kämpft mit dem BVB um die Champions-League-Qualifikation. Ein Aus in diesem Rennen könnte auch für ihn berufliche Folgen haben. Allerdings soll erst der neue Geschäftsführer als Nachfolger von Hans-Joachim Watzke ernannt werden, der in der Trainerfrage das entscheidende Wort hat.

Eberl: Gibt keinen ultimativen Tag

Im April, wenn die Bayern im Champions-League-Viertelfinale gegen den FC Arsenal und Borussia Dortmund gegen Atlético Madrid wegweisende Schritte zum glorreichen Wiedersehen im Finale am 1. Juni in London anstreben, wollen die Münchner die Trainerfrage klären. «Ohne, dass es den ultimativen Tag gibt. Wenn es länger dauert, dann dauert es ein bisschen länger», sagte der neue Sportvorstand Max Eberl bei Sky. Hoeneß fand die Spekulation um den früheren Bayern-Profi Alonso im BR Fernsehen «zu reduziert auf eine Person».

Tuchel mochte nach dem vorzeitig besiegelten Ende seiner ursprünglich bis 2025 datierten Amtszeit für diesen Sommer lieber nicht sagen, was denn einen guten Bayern-Trainer ausmache. Der 50-Jährige verkündete lieber, dass Superstürmer Kane nach seinen Sprunggelenkproblemen für das Duell mit dem langjährigen Rivalen einsatzbereit ist. Der mit einem Muskelfaserriss von der Nationalmannschaft abgereiste Kapitän Manuel Neuer muss dagegen wie zu Beginn der Saison von Sven Ulreich vertreten werden. Auch der zuletzt starke und nicht zum Nationalteam gereiste Aleksandar Pavlovic fehlt gegen den BVB ebenso wie die verletzten Raphaël Guerreiro und Sacha Boey. Dortmund muss ohne Stammtorhüter Gregor Kobel auskommen.

«Die Welt schaut nach München»

Zehn Punkte beträgt der Rückstand der Münchner auf den durch das Alonso-Signal noch einmal gepushten Spitzenreiter aus Leverkusen. Dortmund steht als Tabellenvierter mit einem Punkt Vorsprung auf Leipzig im Kampf um die Champions-League-Qualifikation unter Druck. Das Gipfeltreffen ohne Chance aufs Gipfelkreuz birgt also genügend sportlichen Reiz. «Die Welt schaut nach München», ist sich Rekordnationalspieler Lothar Matthäus sicher.

In der Trainerfrage sieht der 63-Jährige «eine Lotterie». Auch wilde Spekulationen wie die von Zinedine Zidane mit dem früheren Publikumsliebling Franck Ribéry als Assistent waren schon im Lostopf. «Ralf Rangnick wäre meiner Meinung nach ein guter Kandidat. Seine Art Fußball spielen zu lassen, würde passen. Seine Mannschaften spielen einen attraktiven Fußball. Allerdings ist er ein Trainer, der sich nicht gerne reinreden lässt», sagte der Sky-Experte Matthäus der Deutschen Presse-Agentur. Im österreichischen Verband baute man zuletzt schon einmal vor und verwies auf die Identifikation des 65-jährigen Rangnick mit der Nationalelf. Zudem wäre ein Start im Sommer durch die EM herausfordernd.

«Emotionales und aufgeladenes Spiel»

Eberl wollte grundsätzlich «nicht auf einzelne Namen eingehen», wie der 50-Jährige sagte. In Leverkusen passe es aber «wie Arsch auf Eimer». Eberl freut sich auf «das Topspiel gegen Borussia Dortmund. Auch wenn es vermeintlich nicht um die Meisterschaft geht.» Das ändert auch für den früheren BVB-Coach Tuchel nichts daran, dass er ein packendes Duell erwartet: «Spätestens bei der Einfahrt ins Stadion wird es sich ziemlich normal anfühlen, so wie immer: Ein emotionales Spiel, ein sehr wichtiges Spiel, ein aufgeladenes Spiel und ein wichtiges Spiel in der Bundesliga mit großer Rivalität und Historie.»

Von Christian Kunz, Martin Moravec und Heinz Büse, dpa