Köhler schwimmt zu Gold: «Moment, für den man lebt»

Überwältigt von ihren Emotionen musste Angelina Köhler ihre Interview-Premiere als Schwimm-Weltmeisterin unterbrechen. Die erste deutsche Goldgewinnerin im Becken seit Britta Steffen 2009 schlug die Hände vors Gesicht und ließ ihren Freudentränen freien Lauf. Die Zuschauer im Aspire Dome applaudierten begeistert.

«Ich zittere am ganzen Körper. Dieser Sieg bedeutet mir einfach unfassbar viel, weil ich davon schon träume, seit ich Kind bin», sagte Köhler. Die 23-Jährige winkte ihren Eltern auf der Tribüne und feierte ihren Sieg über 100 Meter Schmetterling mit erhobenen Armen.

«Sie sind extra angereist aus Deutschland», sagte Köhler. «Das bedeutet unfassbar viel für mich. Sie haben so viel geopfert für mich und haben mir alles ermöglicht als Kind und in meiner Jugendzeit. Das ist einfach unfassbar.» Bei der Siegerehrung versuchte Köhler die deutsche Nationalhymne mitzusingen. Weitere Freudentränen verhinderten das.

«Das ist einfach der Traum von jedem Sportler»

«Das ist der Moment, für den man das alles macht. Das ist der Moment, für den man lebt. Das ist der Moment, für den man sich jahrelang ins Wasser quält: Um dann da oben zu stehen, die deutsche Flagge wird gehisst und die Nationalhymne kommt», sagte Köhler. «Das ist einfach der Traum von jedem Sportler.»

Bei ihrem mit Abstand größten Karriereerfolg in 56,28 Sekunden verwies die Berlinerin Claire Curzan aus den USA auf den zweiten Platz. Bronze holte die Schwedin Louise Hansson. Mit ihrem grandiosen Rennen sicherte Köhler dem Deutschen Schwimm-Verband am zweiten Tag der Wettbewerbe im WM-Becken bereits das dritte Edelmetall. Am Sonntag hatte es jeweils Bronze für Isabel Gose und Lukas Märtens gegeben.

Bereits am Tag vor ihrem großen Triumph hatte Köhler ihre Ausnahmeform angedeutet. Sowohl im Vorlauf als auch im Halbfinale verbesserte sie den deutschen Rekord und war schneller als sämtliche Konkurrentinnen. «Ich liebe diesen Pool hier, bin perfekt vorbereitet», hatte sie anschließend gesagt.

Besonderes Ritual vor den Rennen

Auch vor ihrem großen Finale pflegte sie ihr Ritual und stimmte sich mit ihrer Lieblingskünstlerin auf den Ohren und viel körperlichem Einsatz ein. «Natürlich war es Taylor Swift. Mein Lieblingstitel ist Cruel Summer», sagte sie zu ihrer Musikauswahl beim Warten auf den Start. «Das ist immer mein letztes Lied. Dazu gehe ich immer richtig ab. Das nimmt mir immer ein bisschen die Aufregung, nochmal zu tanzen und zu singen.»

Wie Popstar Swift, die in der Nacht zum Montag mit ihrem Freund, Football-Spieler Travis Kelce, dessen Sieg im Super Bowl mit den Kansas City Chiefs gefeiert hatte, durfte sich nun auch Köhler über einen ganz besonderen sportlichen Erfolg freuen.

Bei der vergangenen WM im japanischen Fukuoka hatte sie noch den fünften Platz belegt. Die vier Schwimmerinnen, die damals vor ihr lagen, waren diesmal allesamt nicht dabei. Der Saisonhöhepunkt ist Olympia. Für eine bessere Vorbereitung verzichten einige Stars – nicht nur auf Köhlers Strecke – auf eine Teilnahme an der WM, die erstmals im selben Jahr wie die Sommerspiele stattfindet. Was Köhlers Erfolg mit Blick auf das Ringe-Spektakel in Paris bedeutet, ist daher schwer abzuschätzen. Fest steht: Die Momente in Doha werden für sie unvergessen bleiben.

Wellbrock im ersten Beckeneinsatz

Schon an diesem Dienstag haben erneut deutsche Schwimmerinnen und Schwimmer Medaillenchancen. Freistilspezialistin Gose qualifizierte sich als Zweitschnellste der Vorläufe für den Endlauf über 1500 Meter. Lukas Märtens erreichte wie Teamkollege Rafael Miroslaw über 200 Meter Freistil das Finale.

Spannend wird zudem der erste Auftritt von Florian Wellbrock in der WM-Halle. Der 26-Jährige war im Freiwasser zweimal als Titelverteidiger angetreten und hatte zweimal nicht in den Kampf um die Medaillen eingreifen können. Sein Vorlauf über 800 Meter Freistil wird einen ersten Hinweis darauf geben, wie es um seine Form im Wettkampfbecken bestellt ist. Dort zählt er ebenfalls zu den Edelmetallkandidaten.

Von Thomas Eßer und Gerald Fritsche, dpa