Kölns Hoffnung gegen Union: Ketchup-Effekt im Endspiel

Dieses Endspiel um den Klassenerhalt kommt für beide unerwartet. Beim 1. FC Köln hatten sich nach dem 0:0 am vergangenen Wochenende gegen den SC Freiburg viele schon mit dem Abstieg abgefunden, bei Union Berlin hätte wohl noch vor einigen Wochen niemand damit gerechnet, nochmal so tief in den Abstiegssumpf hineingezogen zu werden.

Das direkte Duell der beiden am Samstag (15.30 Uhr/Sky) in Köln ist daher für den FC eine Zusatz-Chance, für Union eine plötzliche Bedrohung. Nach dem 26. Spieltag Mitte März hatten die Berliner noch neun Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz.

Die Kölner beschwören dabei wortreich ungewohnte Vergleiche. «Wir knabbern so lange am Baum rum, bis der Baum umfällt», sagte Trainer Timo Schultz, der das Team nach dem Kölner 0:2 im Hinspiel von der Union-Ikone Steffen Baumgart übernommen hatte. Und Lizenzspielleiter Thomas Kessler hofft auf einen besonderen Effekt. «Ich habe im Fußball ganz oft Phasen erlebt, wo der Ball nicht über die Linie will», sagte er: «Und dann ist es vielleicht irgendwann diese Ketchup-Flasche. Auf die wir so lange draufschlagen, bis irgendwann eine ganze Menge rauskommt.»  Es werde dem Verein «aber nix nutzen, irgendwelche Ketchup-Flaschen durch die Gegend werfen. Sondern uns nutzt es nur, die Bälle ins Tor zu schießen.»

Kölns Vorteil: Von Endspiel zu Endspiel zu Endspiel

Union hat trotz des Abrutschens auf Rang 15 und nur einem Punkt Vorsprung auf den Relegationsplatz weiter die klar bessere Ausgangslage, doch der Kölner Vorteil ist: Sie sind sich die gesamte Saison über schon der Situation bewusst. Sein Team hangele sich gefühlt «von Endspiel zu Endspiel zu Endspiel», sagte Schultz: «Es ist gefühlt seit Wochen alternativlos, dass wir gewinnen müssen. Jetzt ist es de facto so, dass wir gewinnen müssen, um uns ein weiteres Endspiel zu erspielen. Deshalb wird es für uns nur einen Gang geben, und der ist nach vorne.» Die Ergebnisse der Konkurrenz, «laufen irgendwie für uns», sagte der Coach vor allem mit dem Blick auf das 3:4 von Union am Sonntag gegen Bochum: «Wir sind noch im Rennen. Jetzt liegt es an uns.»

Dass Union nochmal den Trainer gewechselt hat – U19-Coach Marco Grote ersetzte Nenad Bjelica – sei aber unerheblich: «Zwei Spieltage vor dem Ende mit drei Trainingseinheiten, da hat man als Trainer nicht mehr den Riesen-Einfluss», sagte Schultz: «Wenn du am 33. Spieltag zum Auswärtsspiel nach Köln kommst und es geht um alles, dann weiß ich nicht, ob der Trainer die entscheidende Rolle spielt.»

Union-Interimscoach Grote verspürt «viel Bock»

Grote versprühte am Freitag aber demonstrativ Aufbruchstimmung. «Sie können sich nicht vorstellen, wie viel Bock ich habe, eine unfassbare Freude. Es steckt eine ganze Menge in mir drin», sagte der Interimscoach. Die Kölner hätten den Druck zu gewinnen, sein Team wolle gewinnen. 

In Berlin erhofft man sich durch den Wechsel natürlich einen Schub – und die Verhinderung eines unrühmlichen Rekords. Union wäre der erste deutsche Champions-League-Teilnehmer, der am Ende der betreffenden Saison absteigen würde. Nur Nürnberg ist 1969 mal als Teilnehmer des Landesmeister-Cups in die 2. Liga gerutscht. «Wir wollen die Relegation natürlich vermeiden», sagte Union-Präsident Zingler, auch wenn es «Kaufleute bei uns gibt, die sagen: „Lasst uns das Spiel doch mitnehmen und dann gewinnen wir.“ So wahnsinnig bin ich nicht.» Er hoffe, «dass wir vier Halbzeiten spielen werden, die uns in der Liga halten.»

Beide Trainer können sich mit dem Klassenerhalt empfehlen

Was beide Trainer eint: Sie kämpfen auch um ihre Zukunft. Der Vertrag von Schultz verlängert sich nur beim Klassenerhalt. Er hat zwar schon frühzeitig angedeutet, sich auch in der 2. Liga einen Verbleib vorstellen zu können. Doch die Chancen darauf erscheinen gering. Im Karlsruher Christian Eichner, von 2011 bis 2013 Profi beim FC und nun Coach des besten Zweitliga-Rückrundenteams wird schon ein erster möglicher Nachfolger gehandelt.

Berlins U19-Coach Grote übernahm wie beim 1:1 gegen den FC Augsburg in der Hinrunde zusammen mit Marie-Louise Eta und Sebastian Bönig die Profis und könnte sich diesmal dauerhaft empfehlen. Er ließ sich aber nicht entlocken, ob er das anstrebt. «Nix casting», sagte er betont lässig: «Das juckt mich nicht, der 1. FC Köln juckt mich. Die Aufgabe reizt mich. Was, wie, wo irgendwann ist, damit beschäftige ich mich null Komma null.»

Von Holger Schmidt und Arne Richter, dpa