Kohfeldts Karrieresprung: Vom Abstiegskampf zur Königsklasse

Vom Abgrund zur 2. Bundesliga bis in die Champions League in nur fünfeinhalb Monaten: Die Trainerkarriere des Florian Kohfeldt hat durch seinen Wechsel zum VfL Wolfsburg einen bemerkenswerten Schub erhalten.

Erst am 16. Mai musste er bei seinem Herzensverein Werder Bremen gehen, weil man ihm die Verhinderung des Bundesliga-Abstiegs dort nicht mehr zutraute. An diesem Dienstag (18.45 Uhr/DAZN) soll Kohfeldt nun dabei helfen, dass es sein neuer Club in der Fußball-Champions-League doch noch in die K.o.-Runde schafft. Denn nach der 1:3-Niederlage im Hinspiel vor zwei Wochen haben die Wolfsburger in der Tabelle der Vorrundengruppe G bereits fünf Punkte Rückstand auf ihren Gegner RB Salzburg.

«Kneifen muss ich mich nicht»

«Kneifen muss ich mich nicht. Aber wenn ich ehrlich bin, spüre ich eine extrem große Vorfreude», sagte Kohfeldt am Montag. «Das Champions-League-Debüt ist etwas, wovon man mal geträumt hat. Ich sehe es als Privileg, dieses Spiel morgen betreuen zu dürfen.»

Auch die Situation in der Gruppe hält der der 39-Jährige für «nicht aussichtslos. Das ist morgen ein Spiel, in dem es sehr, sehr hilfreich wäre, drei Punkte hierzubehalten, um immer noch die Chance zu haben, nach Weihnachten weiter die Champions-League-Hymne zu hören.» Der VfL hat mit seinen zwei Punkten nämlich das Glück, dass die beiden anderen Gruppengegner FC Sevilla (3) und OSC Lille (2) auch noch kein Spiel gewonnen haben. Zumindest Platz zwei in dieser auch leistungsmäßig sehr ausgeglichenen Gruppe ist deshalb vor den letzten drei Vorrunden-Spielen noch immer in Reichweite.

Früher als gedacht in die Königsklasse

Dass Kohfeldt früher oder später ein Champions-League-Team trainiert, haben ihm Beobachter schon immer zugetraut. Dass das bereits in diesem Jahr passiert, entbehrt trotzdem nicht einer gewissen Ironie.

Denn die große Sehnsucht nach dem internationalen Wettbewerb und die verheerenden Schlussfolgerungen, die auch Kohfeldt daraus zog, waren, wenn man so will, der Anfang vom Ende seiner fast 20-jährigen Bremer Zeit. 2019 führte er Werder noch auf Platz acht der Bundesliga und ins Halbfinale des DFB-Pokals. Die Mannschaft, mit der er das schaffte, überschätzte jedoch gerade er selbst. Statt zurück nach Europa, führte Werders Weg mitten durch ein paar verkorkste Transferperioden und eine Pandemie hindurch in die Zweite Liga.

Kohfeldts Ruf als Trainer hat das aber nicht geschadet. Die Wolfsburger holten ihn als Nachfolger von Mark van Bommel – und nicht etwa den Dortmunder Edin Terzic oder den Ex-Schalker Domenico Tedesco. «Der Trainer hat wenig Zeit gehabt, aber die hat er genutzt», sagte Sport-Geschäftsführer Jörg Schmadtke dem «Sportbuzzer» nach dem überzeugenden 2:0-Sieg bei Bayer Leverkusen.

Taktisches System umgestellt

Kohfeldt stellte das taktische System um, legte die altbekannten Wolfsburger Defensivqualitäten wieder frei – und hat jetzt auch eine Qualität in seinem Kader, von der er in Bremen nur träumen konnte.

Die geht sogar so weit, dass Torjäger Wout Weghorst nach dem Ende seiner zweiwöchigen Corona-Quarantäne möglicherweise selbst in so einem wichtigen Spiel gar nicht sofort in die Anfangsformation des VfL zurückkehrt. «Es ist schon so, dass der natürliche Weg eher ein Teileinsatz wäre», sagte Kohfeldt. «Ich werde mich da komplett auf die medizinische Abteilung verlassen und null Risiko eingehen. Wir haben am Wochenende bewiesen, dass wir in der Offensive auch andere Optionen haben.» Vor allem den U21-Europameister Lukas Nmecha.

Von Sebastian Stiekel, dpa