«Komischer Zufall»: Zoff um Gehaltsgrenze für Fahrer

Sebastian Vettel konnte sich den beißenden Spott nicht verkneifen. Dass die Formel 1 inmitten eines Booms eine Sparrunde bei den Fahrergehältern drehen will, kommt dem viermaligen Weltmeister seltsam vor.

«Das ist doch ein komischer Zufall, wenn die Teams erstmals Geld mit den Formel-1-Rennen verdienen können und so etwas wie eine Gehaltsgrenze für Fahrer auftaucht», sagte Vettel zu den Verhandlungen der Rennställe über den künftigen Finanzrahmen. Diskutiert wird, ob die Gehaltsausgaben für beide Stammfahrer bald 30 Millionen Dollar pro Jahr nicht mehr übersteigen dürfen.

Klima im Fahrerlager leicht gereizt

In der Kontroverse stehen sich die Topstars der Branche und ihre Bosse gegenüber. Das Klima im Fahrerlager ist in der Gehaltsfrage vor dem Gastspiel in Kanada am Sonntag (20.00 Uhr/Sky) leicht gereizt. Ein Limit sei «komplett falsch», sagte Weltmeister Max Verstappen, der neben Superstar Lewis Hamilton zu den Topverdienern gehört. «Zurzeit wird die Formel 1 immer populärer, und jeder verdient immer mehr Geld», erklärte der Red-Bull-Pilot und verwies darauf, dass die Fahrer schließlich «für die Show sorgen und ihre Leben riskieren». Dafür sei ein Spitzenlohn angemessen.

Die Teamspitzen indes argumentieren mit dem wachsenden Kostendruck und dem Faktor Verhältnismäßigkeit. Mercedes-Teamchef Toto Wolff verwies auf die Budgetgrenze von 140 Millionen Dollar, die wegen der hohen Inflation in diesem Jahr für die Topteams immer mehr zum Problem wird. Fahrergehälter fallen derzeit zwar nicht unter das Ausgabenlimit. Ein zusätzlicher Lohnzettel von bis zu 50 Millionen sei jedoch «unpassend», wenn der gesamte Rennbetrieb und bis zu 1000 Mitarbeiter mit 140 Millionen finanziert werden müssten, sagte Wolff.

Budgetgrenze soll für Chancengleichheit sorgen

Die Budgetgrenze in der Formel 1 gilt seit dem vergangenen Jahr und soll für mehr Chancengleichheit zwischen den Teams sorgen. So mancher argumentiert, dass auch die Fahrergehälter unter diese Regelung fallen sollten, weil sonst die Logik des Deckels und der Wettbewerb der Ingenieure ausgehebelt wird. Können so doch die reichsten Teams auch immer die besten Piloten beschäftigen.

Die Fahrer indes verweisen auf negative Folgen eines Gehaltslimits für die Nachwuchsserien. Dort spekulieren Investoren oft darauf, an künftigen Verträgen ihrer Schützlinge in der Formel 1 mitzuverdienen. «Wenn das begrenzt wird, dann wird das ohnehin große Risiko für einen Geldgeber noch größer», warnte Alfa-Romeo-Fahrer Valtteri Bottas.

«Ich werde nicht mehr viel länger hier sein, aber ich denke an die junge Generation und glaube nicht, dass sie gebremst werden sollte», sagte Rekordweltmeister Hamilton. Schließlich habe die Formel 1 inzwischen ihre Umsätze auf 14 Milliarden Dollar verdreifacht.

US-Sport als Vorbild?

Als möglichen Ausweg aus dem Dilemma wollen die Bosse Anleihen beim US-Sport nehmen. Dort ist in den meisten Ligen ein Gehaltslimit für jedes Team schon länger verankert. Bei den Topstars macht das direkte Gehalt daher meist den kleineren Teil der Einnahmen aus, der größere Batzen kommt von persönlichen Sponsoren und Vermarktungsanteilen. «Wir müssen uns das anschauen und daraus lernen, auch wenn wir es nicht kopieren müssen», sagte Haas-Teamchef Günther Steiner.

Mit diplomatischem Geschick will Kollege Wolff die Fronten aufweichen. «Um es wirklich tragfähig zu machen, sollten alle Spitzenverdiener einbezogen werden», sagte der Österreicher und stellte klar: «Das heißt, nicht nur die Fahrer, auch die Teamchefs und die Führungskräfte sollten von der Budgetgrenze erfasst werden.»

Von Christian Hollmann und Jens Marx, dpa