LaLiga startet mit Sorgen ins «Jahr 1 nach Messi»

Gerard Moreno ist wohl derjenige, der in Spanien am meisten vom Weggang von Superstar Lionel Messi profitieren könnte.

Der Nationalstürmer von Europa-League-Sieger FC Villarreal wurde vergangene Saison mit 23 Treffern nur deshalb nicht Torschützenkönig der Primera División, weil Messi (mal wieder) noch häufiger zugeschlagen hatte – und sich zum achten Mal den «Pichichi»-Titel holte. Nun darf Moreno mehr denn je auf die Krone hoffen, weil Messi nach 17 Erstligajahren den FC Barcelona verließ und ins Ausland zu Paris Saint-Germain wechselte – doch der 29-Jährige ist vor dem Liga-Start an diesem Freitag alles andere als glücklich.

Nach dem Weggang des Argentiniers gebe es nichts zu feiern, sagte er. «Wir alle verlieren, nicht nur der FC Barcelona», betonte Moreno, beim verlorenen Supercup-Spiel gegen den FC Chelsea Schütze des 1:1 für Villarreal. Die Fachzeitung «AS», schrieb, der Start in die 91. Saison der Ersten Liga werde von «bedrückenden Gefühlen» begleitet. Trauerstimmung herrscht ob des Abschieds des letzten wirklich großen Stars nicht nur in der Fußball-Szene. Tennis-König Rafael Nadal machte aus seiner Wehmut keinen Hehl. «Es wird sehr traurig sein, Messi nicht mehr jedes Wochenende genießen zu können.» Wichtiges Detail: Nadal ist kein Barça-Fan, sondern Anhänger von Erzrivale Real Madrid.

Primera División ehemals attraktivste Liga der Welt

Die Primera División galt noch vor wenigen Jahren als die stärkste und auch attraktivste Liga der Welt. Zeitweilig hatte sie mit Cristiano Ronaldo, Neymar und Messi – neben anderen «gesprächswertigen» Stars wie Zlatan Ibrahimovic, Mesut Özil & Co. – die drei namhaftesten Kicker. Davor war die Zeit der Real-«Galaktiker» um David Beckham, Brasiliens Ronaldo, Luis Figo und Zinedine Zidane plus Ronaldinho, Samuel Eto’o und viele mehr. Dass nun neben Messi auch der ehemalige Real-Kapitän Sergio Ramos nach Paris umzog, macht den mit den Abgängen von Neymar (2017) und Cristiano Ronaldo (2018) begonnenen Niedergang komplett.

Dass es sportlich bergab geht, zeigen schon wenige Fakten. Zum Beispiel diese: Nachdem spanische Clubs zwischen 2014 und 2018 fünf Mal in Serie die Champions League gewannen, schaffte man es in den vergangenen drei Jahren nicht einmal ins Finale. Auch finanziell sieht es infolge von sportlicher Malaise, Misswirtschaft und Pandemie düster aus. Allein Barça hat Schulden von insgesamt ca. 1,2 Milliarden Euro. Eine Consulting-Firma schätzt, dass die Club-Einnahmen ohne Messi um 171 Millionen Euro pro Jahr zurückgehen werden. Die Einbußen von LaLiga dürften um ein Vielfaches höher liegen, denn in wichtigen Märkten wie China oder den USA dürfte das Interesse an Spielen wie Deportivo Alavés gegen Real am Samstag oder Barcelona gegen San Sebastián am Sonntag weiter sinken.

Dass die Clubs kein Geld haben, zeigt auch ein Bericht der Zeitung «El País»: Demnach haben alle LaLiga-Vereine in diesem Sommer nur 127 Millionen Euro für Verstärkungen ausgegeben. Damit liegt man deutlich hinter der englischen Premier League (935 Mio), der italienischen Serie A (373), der Bundesliga (318) und sogar hinter der französischen Ligue 1, obwohl PSG für Messi und auch für Ramos keinen Cent ausgeben musste. Stichwort Misswirtschaft: Im Sommer 2019 shoppte LaLiga trotz hoher Schulden noch für 1,5 Milliarden.

Abkommen mit Investor

Liga-Boss Javier Tebas ist sich der bedrohlichen Lage bewusst und erreichte deshalb mit einem Investor aus Luxemburg ein umstrittenes Abkommen, das am Donnerstag von den Clubs der 1. und 2. Liga mit 38 zu 4 Stimmen gebilligt wurde, darunter auch von Titelverteidiger Atlético Madrid. Der ehemalige Formel-1-Besitzer CVC wird für knapp 2,7 Milliarden Euro einen Anteil von 10,95 Prozent am spanischen Profifußball für die nächsten 50 Jahre übernehmen.

Barcelona und Real stimmten derweil mit zwei weiteren Clubs dagegen. Die Königlichen hatten sogar rechtliche Schritte zur Verhinderung des Deals angedroht. Aufgrund einer laut Medien kurz vor der Abstimmung erreichten Kompromisslösung wird es aber wohl keinen Streit geben: Die beiden Topclubs bleiben demnach vom Deal unberührt. Sie bekommen kein Geld, treten aber auch keine Rechte ab. Verwunderlich? Keinesfalls. Die beiden Großclubs setzten trotz des Widerstandes der UEFA und vieler Fans weiterhin auf die Gründung der umstrittenen Superliga, die die Zweiklassengesellschaft im Fußball weiter zementieren würde. Zoff und neue Probleme sind also programmiert.

Von Emilio Rappold, dpa