Latein-Pause für London: Schmutzler plant Darts-Geschichte

Krasser könnte der Kontrast für einen 16-Jährigen nicht sein. Anfang dieser Woche hat der Zehntklässler Fabian Schmutzler noch seine Lieblingsfächer Latein und Chemie gepaukt, dazu das Geschichtsbuch gewälzt.

Am 16. Dezember (21.00 Uhr/DAZN und Sport1) tritt der junge Hesse auf der größten Darts-Bühne der Welt im Alexandra Palace an. Gewinnt er gegen Englands Ryan Meikle, wird er zumindest im Sport-Geschichtsbuch einen eigenen Eintrag haben: als jüngster Sieger in der Historie der Darts-WM. Dafür sollten drei Tage schulfrei durchaus mal drin sein.

Schmutzler, der «älteste 16-Jährige der Welt»

«Die Schule war vorher alles für mich. Ich habe die Schule sehr gerne und fand es blöd, wenn ich gefehlt habe. Jetzt ist es nun mal so: Etwas Größeres steht an», sagte Schmutzler vor seiner Abenteuerreise nach London der Deutschen Presse-Agentur. Statt mit Maske und Klassenkameraden in der grauen deutschen Vorweihnachtszeit zu sitzen, wird Schmutzler nun beim größten und wichtigsten Turnier der Welt Pfeile werfen. Vor 3000 Fans in einer pickepackevollen Arena und Millionen Zuschauern an den TV-Geräten. Was für eine Umstellung.

Schmutzler, den Kollegen «als ältesten 16-Jährigen der Welt» bezeichnen, begibt sich auf die Spuren von Max Hopp, der vor neun Jahren ebenfalls mit 16 im «Ally Pally» debütierte. Hopp galt als Riesentalent und Hoffnungsträger einer ganzen Darts-Nation. Knapp ein Jahrzehnt später kann der «Maximiser», wie Hopp genannt wird, gut einschätzen, was auf Schmutzler zukommt. «Das kann positiv, aber auch negativ sein. Es ist ja eine tolle Erfahrung. Man muss sich aber bewusst machen, dass nicht alles immer toll ist», sagte Hopp über die skurrile Situation, als unerfahrener Teenager in eine bislang völlig unbekannte Welt zu geraten.

London ist für den Youngster Neuland

Der Aufstieg kam aus dem Nichts. Schmutzler, Jahrgang 2005, gewann im November völlig überraschend eine Qualifikationsserie, bei der er die Hälfte der Turniere altersbedingt verpasste. So wurde aus einem Frankfurter Gymnasiasten, der Lehrer für Latein und Chemie werden möchte, quasi über Nacht ein Sport-Hoffnungsträger, den erstmal die deutsche Medienlandschaft geschlossen anfragt, weil die Geschichte so außergewöhnlich ist.

«Ich könnte der jüngste Teilnehmer sein, der ein Spiel gewinnt. Das bedeutet so viel. Aber ich sehe das eher als Motivation denn als Druck. Ich versuche, das zu erreichen», sagte Schmutzler. Auf ihn wartet Neuland, schließlich hat er bislang ausschließlich auf Jugend- und Amateurebene gespielt. «Er sagt zwar, er freut sich. Aber er weiß gar nicht, wie laut es ist. Er hat davon gar keine Ahnung», sagte Experte Elmar Paulke, der Schmutzler vor dem Turnier selbst getroffen hat. «Der kennt das null.»

Eine unvergessliche Erfahrung für «The Fabulous Fab»

Das Auftaktspiel gegen den Engländer Meikle bringt dem deutschen Youngster, der mit dem Spitznamen «The Fabulous Fab» («Fabelhafter Fabian») startet, ein Preisgeld von 7500 Pfund (knapp 9000 Euro) und große internationale Aufmerksamkeit. Gewinnt Schmutzler dieses Spiel, steht am folgenden Abend direkt ein noch viel größeres Spiel an: gegen Ex-Weltmeister Peter Wright, den bunten Paradiesvogel aus Schottland.

«Gegen ihn spielen zu dürfen, wäre schon echt fett. Er stiftet Party an, das ist megacool», sagte Schmutzler. Er würde die gigantische Bühne im Norden Londons plötzlich mit einem 51 Jahre alten Star und Darts-Millionär teilen. Spätestens dann hätte Schmutzler, der seine Rückreise für den 18. Dezember geplant und gebucht hat, überhaupt nichts mehr zu verlieren. Und eine unvergessliche Erfahrung, die ihm niemand mehr nehmen kann, schon im Teenageralter gemacht.

Bei einem Erstrundensieg würde Schmutzler ausgerechnet Hopp als jüngsten WM-Sieger verdrängen. «Ich bin sehr gespannt, wie er sich schlägt. Er ist ein Riesentalent und ich hoffe, er kann das alles gut wegstecken», sagte Hopp, der inzwischen 25 ist und auf den großen Durchbruch noch immer warten muss.

Für Schmutzler geht mit dem Auftritt auch eine Zeit des Wartens zu Ende. In einem Interview mit dem Nachrichtenportal «Die Welt» sagte er: «Wir haben schon oft versucht, Karten zu bekommen, aber das hat nie geklappt. Jetzt brauchen wir sie nicht mehr.»

Von Patrick Reichardt und Tom Nebe, dpa