Laura Ludwig will in Tokio wieder «ein Ding raushauen»

Teo hat im Berliner Elternhaus von Laura Ludwig schon mal die Pokale poliert. Der dreijährige Sohn von Deutschlands Beachvolleyball-Königin wird am TV-Gerät mit Oma und Opa zumindest schon ein wenig verfolgen, wie Mama im fernen Japan ihre nun schon vierte Olympia-Mission angeht.

«Er bekommt langsam mit, dass es unser Job ist und warum wir wieder so lange weit weg sind. Bei meinen Eltern hat er jetzt mal die Pokale aus meiner Jugendzeit geputzt», berichtet die Titelverteidigerin im dpa-Gespräch und lacht amüsiert. «Und als wir in Locarno jüngst das Halbfinale verloren haben, hat er gefragt: Mama, warum hast du keinen Pokal gewonnen?»

«Lange nicht über Olympia nachgedacht»

Am Sonntag steigt Olympiasiegerin Ludwig mit ihrer sportlichen Partnerin Margareta Kozuch und ihrem Lebenspartner Imornefe «Morph» Bowes, der zugleich Trainer des Duos ist, in den Flieger nach Tokio. «Ich habe lange nicht über Olympia nachgedacht», erzählt Ludwig, diesmal ernster. Weil sie das Gefühl nicht los wurde, «dass noch etwas dazwischen kommen könnte». Die Ungewissheit begleitet die Hamburgerin seit Monaten: Pandemie mit allen persönlichen Sorgen um Gesundheit, Kindergarten-Schließungen und Trainingsstopp, ein Jahr keine internationalen Wettkämpfe, Rückschläge, neue Hoffnungen.

«Wir haben immer Tag für Tag geschaut und gearbeitet. Weil wir sportlich noch nicht zufrieden waren mit unserer Konstanz. Doch trotz der besonderen Umstände flattert es jetzt im Bauch», sagt Ludwig, die schon alles Mögliche gewonnen hat im Sand: Olympia-Gold 2016 an der Copacabana mit Kira Walkenhorst, Weltmeisterin ein Jahr später, vier Mal Europameisterin und sieben Mal deutsche Meisterin. Was treibt da noch an? «Ich liebe einfach Beachvolleyball. Um das Potenzial zu spüren, die Beste sein zu können und wieder ein Ding rauszuhauen», antwortet die Weltklasse-Abwehrspielerin.

Letztes großes Turnier?

Mit 22 Jahren wurde sie 2008 in Peking mit Sara Goller (heute Niedrig) Olympia-Neunte, vier Jahre später in London Fünfte, bevor in Brasilien der große Triumph gelang. Das Gefühl, es könnte vielleicht ihr letztes ganz großes Turnier sein, schiebt Ludwig zur Seite. «Es wird schwer, damit aufzuhören. Ich kann mir noch nicht vorstellen zu sagen, jetzt ist Schluss. Vor dem Moment graut mir. Und das hat nichts mit den ganzen Titeln zu tun.»

Fast zwei Jahre ist der letzte Sieg zusammen mit der ehemaligen Hallenspielerin Kozuch her. Das ist für Ludwig Hoffnung und Belastung zugleich. «Es gibt immer wieder Phasen in unserem Spiel wie zuletzt in Gstaad, wo man denkt, jetzt ist der Knoten geplatzt, jetzt haben wir es», sagt Ludwig. «Doch dann sind wir wieder zu inkonstant.»

Im Shiokaze Park von Tokio will das Duo beweisen, «dass wir unser bestes Beachvolleyball spielen können», sagt Ludwig. «Und da haben wir den ersten Platz von Rom 2019 natürlich mit im Hinterkopf, dass wir es können, wenn wir alles abrufen. Wenn es dann nicht so kommt, ist es eben so. Ein konkretes Ziel hatten wir auch in Rio nicht.»

«Wollte Teo erklären, was Olympia ist»

In letzter Zeit hat die Frohnatur Ludwig «zwar nicht jeden Tag, aber immer mal wieder» ihre olympische Goldmedaille rausgeholt, verrät sie und lacht wieder. «Das gibt ein schönes Gefühl in dieser unruhigen Zeit, wofür man arbeitet.» Mit ihrem Söhnchen hat sie sich auch den Film über ihren Rio-Sieg nochmals angeschaut. «Ich wollte Teo erklären, was Olympia ist. Dann wollte ich es bis zum Ende schauen, um das Gefühl zu bekommen, jetzt ist es wieder soweit.»

Die Konkurrenz hat Respekt. Und die Olympia-Kollegen trauen Ludwig in Tokio nochmals ein großes Ding zu. Wie Karla Borger und Julia Sude (Stuttgart) und die Vizeweltmeister Julius Thole und Clemens Wickler (Hamburg) hätten sich auch Ludwig/Kozuch in diesem Jahr mal einen Podiumsplatz auf der Welttour als Anheizer gewünscht. «Aber sie haben relativ konstant Top-Ten-Ergebnisse erzielt. Sie sind international absolut konkurrenzfähig. Ich bin sicher, dass man mit ihnen rechnen muss», bemerkt Thole.

Wehmut über fehlende Fans

Dass in Tokio die Fans fehlen werden, ist für die von den Emotionen lebende Ludwig «schon krass». Zuletzt beim Welttour-Turnier in Gstaad gab es wieder ein fast volles Stadion. «Wenn man da jetzt über die leeren Ränge nachdenkt, ist es schon ein komisches Gefühl», sagt Ludwig, die auch eine Kandidatin dafür ist, bei der Eröffnung die deutsche Fahne ins leere Stadion zu tragen. Auf der anderen Seite könne man nun die Reaktionen des eigenen Betreuerteams besser mitbekommen. «Das ist mehr persönlich, mehr privat.»

Dass Teos Papa «Morph» auch in Tokio an ihrer Seite ist, habe «Vor- und Nachteile», bemerkt Ludwig erheitert: «Ich haben keinen Partner zuhause, dem ich mal am Telefon sagen kann, wie schei… mein Trainer ist», scherzt sie. «Aber natürlich ist es auch schön. Das ist Ablenkung. Wir rufen dann zusammen unseren Kleinen an», erzählt Ludwig. «Wenn er mit uns telefonieren will.» Denn mit dem Telefonieren habe es Klein-Teo «noch nicht so».

Von Jens Mende, dpa