Lehrstunde für DHB-Team: Handballerinnen ohne WM-Medaille

Mit versteinerten Mienen und Tränen in den Augen schlichen Deutschlands Handballerinnen nach dem brutal geplatzten Traum von der ersten WM-Medaille seit 16 Jahren vom Parkett. Nach einem phasenweise desolaten Auftritt beim 20:27 (6:16) im Viertelfinale gegen Schweden musste die DHB-Auswahl ihre Hoffnungen auf das erste WM-Edelmetall seit Bronze 2007 begraben. 

«Das ist ein schwerer Moment. Ich bin sehr enttäuscht, weil wir nicht das auf die Platte gebracht haben, was wir können», sagte Bundestrainer Markus Gaugisch. Co-Kapitänin Emily Bölk, die in der Mixed Zone Tränen der Enttäuschung vergoss, brachte ihre Gefühlslage auf den Punkt: «Es tut sehr weh.» 

Für die DHB-Auswahl geht es am Freitag mit dem ersten Platzierungsspiel gegen Tschechien weiter, Schweden trifft in der Vorschlussrunde auf Olympiasieger Frankreich. «Wir wollten unbedingt ins Halbfinale und sind traurig, dass wir es nicht geschafft haben. Wir haben bis hierher ein Top-Turnier gespielt. Daher ist es schade», sagte Gaugisch.

Geschichte wiederholt sich

Der seit 2007 bestehende Halbfinal-Fluch hält an. Dreimal Platz sieben und einmal Achter waren die Resultate der vergangenen Großturniere, bei denen man die Vorschlussrunde jeweils verpasst hatte. Nun wiederholten sich die Ereignisse in Herning. «Ich muss das erst einmal verarbeiten. Wir haben nicht die Leistung gezeigt, die wir uns alle erhofft hatten. Jetzt müssen wir uns da herausarbeiten», sagte DHB-Sportvorstand Axel Kromer.

Vor rund 6000 Zuschauern waren Co-Kapitänin Alina Grijseels, Amelie Berger und Viola Leuchter mit jeweils vier Toren beste Werferinnen im deutschen Team, das seine schwächste Turnierleistung bot. «Wir wollten ein viel besseres Spiel abliefern und nicht auf diese Art und Weise ausscheiden. Das ist eine bittere Erfahrung und ein Rückschlag für uns», sagte Grijseels.

Nach zuvor überzeugenden WM-Auftritten hatte sich der DHB große Chancen ausgerechnet. So selbstsicher und reif wie im bisherigen Turnierverlauf präsentierten sich die deutschen Handballerinnen in den letzten Jahren selten. Mit einem Sieg gegen den Olympia-Vierten wollten Bölk und Co. die Lücke zu den Top-Vier-Nationen endlich schließen.

Erste Halbzeit als Knackpunkt

Doch die Mannschaft wirkte wie ausgewechselt. Völlig verunsichert und ohne erkennbaren Plan bekam die DHB-Auswahl vom Drei-Kronen-Team eine Lehrstunde erteilt. «In der ersten Halbzeit sind wir weit unter unseren Möglichkeiten geblieben. Da hat Schweden alle Zweikämpfe gewonnen, offensiv wie defensiv. Dadurch war der Rückstand zur Pause sehr hoch», analysierte der Bundestrainer.

Ein vergebener Siebenmeter, unzählige Fehlpässe und starke Paraden der schwedischen Torhüterin prägten die aus deutscher Sicht katastrophale Anfangsphase. Nach neun Minuten führte Schweden, das jedes deutsche Geschenk dankend annahm, mit 4:0. Gaugisch reagierte mit einer Auszeit und forderte «Angriffe voll durch die Lücke». 

Doch die hitzige Ansprache des 49-Jährigen verpuffte. Das DHB-Team verlor gegen aggressive Schwedinnen so gut wie jedes Eins-gegen-Eins-Duell und im Angriffsspiel herrschte viel zu wenig Bewegung. Der kleine deutsche Fanblock sah einen Klassenunterschied. 

Die deutsche Sieben wollte den ersten Treffer nun erzwingen und agierte bei den Abschlüssen viel zu hastig. Bis zur Erlösung durch Co-Kapitänin Emily Bölk dauerte es 14 Minuten (1:7). Ein Ruck ging danach aber nicht durch die Mannschaft. Schweden wirkte optimal vorbereitet und hatte auch auf eine deutsche Systemumstellung zu zwei Kreisläuferinnen die perfekte Antwort.

Keine Aufholjagd in Hälfte zwei

Nach der Pause agierten zwar auch die Schwedinnen fehlerhaft, doch die kompakte Abwehr und die überragende Keeperin Johanna Bundsen machten die Patzer im Offensivspiel wett. Dass es nach 45 Minuten immer noch keine Zwei-Minuten-Strafe gab, sprach auch für fehlende Härte im deutschen Spiel.

Als das Gaugisch-Team sich gerade Tor um Tor herankämpfte (13:19), drehten die Co-Gastgeberinnen wieder auf. Deutschland war in der zweiten Halbzeit ein ebenbürtiger Gegner, die Hypothek aus der Anfangsphase war aber zu groß. Bei der EM in einem Jahr muss die DHB-Auswahl nun den nächsten Anlauf auf eine Medaille nehmen. So weit nach vorn ging der Blick bei den Spielerinnen aber nicht. «Jetzt kämpfen wir erst einmal um Platz fünf, auch wenn es hart wird, wieder aufzustehen», sagte Bölk.

Von Jordan Raza und Eric Dobias, dpa