Leipziger Bayern-Watschn: Kane auf Anhieb kein Tor-Hurrikan

Harry Kanes große Lust auf den FC Bayern und sein maximaler Glaube an viele Tore und Titel milderte bei seiner Vorstellung als neuer Supermann der Bundesliga ein wenig die Münchner Schmerzen nach der Leipziger Supercup-Watschn.

Nur 14 Stunden nach dem wirkungslosen Blitz-Debüt als Offensiv-Joker beim für Trainer Thomas Tuchel «erschreckenden» 0:3 (0:2) des deutschen Meisters gegen den famos auftretenden DFB-Pokalsieger bei der Saison-Ouvertüre war der 30-Jährige zurück in der Allianz Arena. 

Auch seine schwangere Ehefrau Katie und seine Eltern hörten im Mediensaal aufmerksam zu, als der neue Bayern-Star im dunkelblauen Anzug mit offenem Hemdkragen große Taten ankündigte. Auf einen «magischen» Samstagabend blickte Kane angesichts der Zuneigung der Münchner Fans zurück. «Danke für die herzliche Begrüßung. Wir werden sicherlich noch Gründe haben, gemeinsam zu feiern», sagte er am Tag nach dem Fehlstart mit seinem neuen Team. «Es gibt keinen Grund, in Panik zu geraten», beruhigte der Torjäger, strotzend vor Tatendrang nach stressigen 48 Stunden zum Ende des zähen Wechsel-Pokers.

Olmo stiehlt Kane die Show

Ein Tor-Hurrikan war Harry Kane gegen Leipzig auf Anhieb nicht. Vielmehr fegte über München zum Saisonstart ein Leipziger Sturm namens Dani Olmo hinweg. Drei Schüsse, drei Tore. Der Spanier stahl Kane die Show und tat genau das, wofür die Bayern im Gesamtvolumen bis 2027 mehr als 200 Millionen Euro locker machen.

Kane gab ein Versprechen. «Natürlich werde ich Tore schießen. Aber ich werde auch nicht panisch, wenn ich mal nicht treffe. Mein Spiel ist mehr als nur Tore schießen», sagte er selbstbewusst. Nach 19 Jahren Tottenham sei der FC Bayern die ideale Herausforderung, um endlich Titel zu gewinnen. Das Königsklassen-Finale 2024 im Londoner Wembley-Stadion reizt ihn dabei ganz besonders: «Das ist toll. Ich bin auch hier, um die Champions League zu gewinnen.» Und Englands Kapitän will dazu als «Führungsspieler» beitragen.

Die Glückseligkeit des Münchner Publikums, Harry Kane leibhaftig im Bayern-Trikot mit der Nummer 9 zu erleben, schien sogar die Supercup-Abreibung der Tuchel-Bayern im eigenen Stadion erträglich zu machen. Staunend verfolgte Max Eberl die Hysterie um den teuersten Bundesligaspieler. «Ich finde es fast schon zu viel, was Harry Kane hier aufgeladen wird. Das ist ja wie ein Messias, der über das Wasser läuft», sagte Leipzigs Sport-Geschäftsführer. 

Neue Ablöse-Dimension für Bayern

Die von einer Kane-Mania erfassten Bayern-Fans goutieren es, dass ihr Club für Kane in eine neue Dimension vorgestoßen ist. Über 100 Millionen Euro Ablöse, das gab’s noch nicht in München. Dazu kommen weitere 100 Millionen Euro Gehalt für vier Vertragsjahre. Beim absoluten Wunschspieler Kane gab’s für die Münchner Bosse ausnahmsweise kein Limit. Der stolz neben Kane sitzende Vorstandschef Jan-Christian Dreesen betonte: «Ich würde nicht sagen wollen, dass 100 Millionen the new normal sind. Das ist für uns schon ein enormer Betrag.»

Bayerns Trainer hörte sich derweil schon wieder so an wie nach den bitteren Niederlagen und verspielten Titel in seiner Münchner Anfangszeit. «Ich habe jetzt keine Lösung», sagte Tuchel ratlos nach einer Fehlleistung, die freilich er als Coach verantwortet. Im Frust sprach er von «hunderten Fehlerbildern» und davon, dass ihm Kane leidtäte: «Er denkt wahrscheinlich, wir haben hier vier Wochen nicht trainiert.» So sah es in der Tat aus.

«Es fühlt sich an wie eine komplette Fortsetzung der vergangenen Saison», sagte Tuchel entlarvend ehrlich. Er schimpfte über «große Defizite im Defensivverhalten». Sein Fazit klang vernichtend: «Wir haben die erste Halbzeit verloren, wir haben die zweite Halbzeit verloren, das ist eindeutig.» Kane bekam ein paar Einsatzminuten. Der Stürmer war kaum am Ball, er hatte nur eine harmlose Aktion im Strafraum. Das soll sich aber rasch ändern. 

Tuchel gibt Einsatzgarantie

Tuchel gab Kane eine zeitlich unbefristete Einsatzgarantie. «Er spielt. Er spielt jedes Spiel. Fertig. Aus. Er ist unsere Nummer neun», antwortete Tuchel genervt auf die Frage, wie er Kane nun als Spieler aufzubauen gedenke. «Es gibt keinen Aufbau. Er trainiert mit uns und startet gegen Werder Bremen. Wir müssen ihn kennenlernen, nicht er uns», sagte Tuchel.

Die Bayern – und besonders ihr Trainer – brauchen ganz flott einen beständig treffenden Kane. Der Königstransfer kann aber nur eine Baustelle schließen. Im Tor steht weiter nicht Kapitän Manuel Neuer, bei dem es keinen Comeback-Termin gibt. Bei Chelseas Star-Keeper Kepa Arrizabalaga «waren wir sehr dicht dran», sagte Dreesen. Doch Kepa habe sich für Real Madrid entschieden. In der Abwehr, für die 50-Millionen-Mann Minjae Kim aus Neapel kam, probiert es Tuchel mit ständig wechselnden Besetzungen. 

Tuchels sehnlicher Wunsch nach einem defensiv denkenden Sechser ist ein riskantes Misstrauensvotum gegenüber Joshua Kimmich und Co. Nationalspieler Leon Goretzka ist zum Bankdrücker degradiert. Und die Offensivabteilung um Kane kann sich erst jetzt finden. Der vermeintliche Abwehrchef Matthijs de Ligt stellte nach der Supercup-Abreibung fest: «Das war schlecht in allen Sachen, die wir gemacht haben.» 

Anders die famosen Gäste. Leipzig hat zwar Topspieler wie Christopher Nkunku, Josko Gvardiol, Konrad Laimer und Dominik Szoboszlai im Sommer verloren. Und dennoch wirkten die Sachsen – angeführt vom Spanier Olmo – harmonischer, gieriger. «Wir haben mit dem Spiel ein Stück weit die Konkurrenz aufgeweckt, okay, mit Leipzig ist wirklich zu rechnen», frohlockte Eberl. Beim Supercup-Gewinner rechnen sie aber natürlich auch weiter mit den Bayern – und mit Hurrikan Kane. «Jetzt ist auch noch der Harry hier. Da wird’s wahrscheinlich richtig rappeln», meinte RB-Coach Marco Rose. 

Von Klaus Bergmann und Jordan Raza, dpa