Als Andrea Petkovic zum Abschied verzweifelt mit ihren vielen Emotionen kämpfte, fühlte auch Jule Niemeier mit. «Das hat mich sehr mitgenommen, ich habe da auch ein paar Tränchen verdrücken müssen», sagte Deutschlands letzte Tennis-Hoffnung bei den US Open in New York über ihre Mentorin, «weil wir uns schon länger kennen und mir das auch extrem leid tut.»
Niemeier selbst hatte mit dem überzeugenden 7:6 (7:3), 6:4-Sieg gegen Sofia Kenin aus den USA ein komplettes Erstrunden-Debakel aus deutscher Sicht verhindert. Alle anderen sieben deutschen Starterinnen und Starter verloren beim letzten Grand-Slam-Turnier der Saison ihr Auftaktmatch, bei den Herren steht erstmals seit 38 Jahren kein deutscher Profi in der zweiten Runde der US Open.
Niemeier schönt die deutsche Statistik
«Dass alle anderen verloren haben, ist keine Schande», meinte Wimbledon-Viertelfinalistin Niemeier und erklärte das mit der «extrem schwierigen Auslosung». Auch Oscar Otte, dem im ersten Spiel nach seiner Knieoperation gegen den an Nummer acht gesetzten Polen Hubert Hurkacz (4:6, 2:6, 4:6) deutlich der Rhythmus fehlte, wollte die negative Statistik «nicht zu hoch» hängen. Ohne Olympiasieger Alexander Zverev, der nach seiner schweren Verletzung noch Trainingsrückstand hat, und die schwangere dreimalige Grand-Slam-Turniergewinnerin Angelique Kerber könne es «schon mal blöd laufen».
Niemeier schönte die Statistik. Ihr starker Auftritt auf dem Hartplatz gegen Kenin, immerhin Australian-Open-Gewinnerin von 2020, weckte Hoffnungen auf einen ähnlichen Erfolg wie jüngst auf Rasen in Wimbledon. «Ich bin sehr zufrieden mit dem Spiel und wie ich aufgetreten bin: sehr ruhig und klar in den Dingen, die ich machen wollte», sagte die 108. der Weltrangliste. Sie sei «sehr froh, dass ich meine gute Leistung von Wimbledon ein bisschen bestätigen konnte».
In der zweiten Runde trifft die dynamische Dortmunderin am Donnerstag auf die Kasachin Julia Putinzewa, die die an Nummer 24 gesetzte Amanda Anisimova aus den USA besiegte. Es belaste sie «auf keinen Fall», jetzt einzige verbliebene deutsche Teilnehmerin zu sein, betonte Niemeier: «Ich habe in Wimbledon gemerkt, dass es mir extrem Spaß macht, auf der großen Bühne und gegen große Namen zu spielen. Das schüchtert mich nicht ein – und das ist extrem wichtig.»
Grand-Slam-Abschied für Petkovic
Petkovic, die in ihrem letzten Grand-Slam-Match der Olympiasiegerin Belinda Bencic aus der Schweiz nach sehr nervösem Beginn einen harten Kampf bot und knapp 2:6, 6:4, 4:6 verlor, traut dem Youngster eine Menge zu. «Ich habe an Jule Niemeier geglaubt, bevor sie irgendeiner auf dem Schirm hatte», betonte die 34-Jährige. Sie attestierte Niemeier das Potenzial für eine «absolute Top-20-Spielerin».
«Sie hat mir früher extrem geholfen», sagte Niemeier über Petkovic: «Sie hat mir immer Mut zugesprochen.» Sie bewundere Petkovics Leidenschaft, «sie hat immer alles auf dem Platz gelassen.»
Petkovic tritt nach 16 Jahren auf der Profitour und 48 Grand-Slam-Turnieren ab, Niemeier rückt noch stärker ins Rampenlicht – der Generationenwechsel im deutschen Damentennis vollzieht sich auch bei den US Open. Petkovic selbst will dabei sogar mithelfen. «Ich habe letzte Saison schon angefangen, viel mit den Mädels zu trainieren», sagte die siebenmalige WTA-Turniergewinnerin. Auch Niemeier möchte weiter von ihr lernen: «Ich hoffe natürlich, dass sie im Tennis bleiben und uns unterstützen wird.»