Mann «unterm Radar»: Gündogan-Helfer Groß schafft Optionen

Pascal Groß wehrte gerade entrüstet den Reporter-Aufruf zu Duell-Ansagen an Joshua Kimmich ab, als ein paar Meter weiter Rudi Völler mit dem Finger auf ihn zeigte.

Der DFB-Sportdirektor sprach gerade über die gute Entscheidung, Ilkay Gündogan auf dem Weg zur Heim-EM 2024 zum Kapitän der Fußball-Nationalmannschaft zu erklären. «Und es war auch eine gute Entscheidung, ihn zu nominieren», sagte Völler nach dem 3:1 gegen die USA und vor dem Test gegen Mexiko mit dem gedeuteten Finger auf Groß.

Entscheidungen von Flick

Beide Entscheidungen gehen übrigens noch auf Hansi Flick zurück. Aber Julian Nagelsmann führte sie auf der USA-Reise zusammen. Triple-Gewinner Gündogan und Neu-Nationalspieler Groß liefen in Hartford erstmals gemeinsam auf und ergänzten sich als Doppel-Sechs wie zwei langjährige Vertraute. Urplötzlich tun sich für den neuen Bundestrainer völlig neue EM-Optionen auf, womöglich zum Nachteil von zwei namhaften Bayern-Profis. 

Der im Alter von 32 Jahren spät berufene Brighton-Profi Groß könnte zum ernsthaften Mittelfeldkonkurrenten des erkrankt aus Amerika zurückgereisten Joshua Kimmich und dem in der Hierarchie zurückfallenden Leon Goretzka erwachsen. «Die Chance hat jeder, seinen Platz zu behalten. Es ist Leistungsprinzip», antwortete Nagelsmann auf die Frage, ob Newcomer Groß seinen Platz auch behaupten könne, wenn der erfahrene und seit Jahren im Nationalteam als Stammkraft gesetzte Kimmich (80 Länderspiele) zurückkommt. 

Der in sich ruhende Groß ließ sich bei dem brisanten Thema freilich nicht locken. Ein Duell mit Kimmich um den Platz neben Gündogan mochte er nicht ausrufen.  «Nee, weil ich meine Rolle kenne», antwortete er. Groß ist kein großer Redner. Der Vielseitige lässt lieber Taten für sich sprechen. Und Zahlen wie im USA-Spiel: Passquote 93 Prozent, Zweikampfquote 100 Prozent. 

Nagelsmann-Lob in höchsten Tönen

Schnellredner Nagelsmann lobte Groß in den höchsten Tönen. «Pascal hat es sehr gut gemacht. Er ist ein Spieler, der sich unfassbar viel mit Fußball beschäftigt. Er ist sehr schlau im Raum, sehr schlau im Binden von Gegenspielern, sehr mutig und hat auch ein gutes Gegenpressing. Und er kann natürlich auf verschiedensten Positionen spielen.»

Im siebten Jahr spielt der ehemalige Bundesliga-Profi des FC Ingolstadt inzwischen für Brighton & Hove Albion in England – und das als Leistungsträger. «Er läuft in Deutschland eigentlich seit mehreren Jahren unterm Radar. In Ingolstadt hat ihn keiner so richtig beachtet. Er spielt jetzt seit mehreren Jahren in der Premier League sehr gut», sagte Nagelsmann. Er ist bereits ein großer Groß-Fan, weil dieser das ausstrahlt und lebt, was Nagelsmann sich wünscht: «Er hat auch das Leuchten in den Augen. Nationalmannschaft ist für ihn etwas Besonderes. Er brennt! Er ist einfach ein sehr schlauer und intelligenter Fußballer.»

Perfekte Gündogan-Ergänzung

Und damit passt er perfekt zu Gündogan. Der hat womöglich im 70. Länderspiel exakt den Spielertyp an seine Seite gestellt bekommen, den er als ideale Ergänzung immer benötigte. «Pascal und Ilkay haben das sehr gut gemacht, weil sie einfach sehr schlau sind», bemerkte Nagelsmann: «Sie bewegen sich sehr gut im Raum zwischen den Linien, sie sind sehr schwer zu verteidigen. Das G & G-Duo also als Zukunftslösung?

Wenn’s nach Groß geht, gerne. Er schwärmte nach dem USA-Auftritt nicht von sich, sondern rühmte den Mann an seiner Seite. «Ilkay gibt jedem Spieler ein gutes Gefühl. Er ist ein absoluter Topspieler, der eine unfassbare Spielintelligenz und Ballsicherheit hat. Ich habe mich wohlgefühlt auf dem Platz, wir haben es gut gemacht», sagte Adjutant Groß. 

Als Herbst-Entdeckung und DFB-Senkrechtstarter eröffnet er ganz neue EM-Optionen für den Bundestrainer. Groß ist jetzt auf dem Turnier-Radar. Und Nagelsmann könnte die Sache ja womöglich auch so weiterdenken: Wenn Gündogan und Groß auch am Mittwoch (2.00 Uhr/ARD) gegen Mexiko wieder toll harmonieren, könnte Nagelsmann intensiv über einen Rechtsverteidiger Kimmich nachdenken. Und eine Großbaustelle im DFB-Team schließen. 

Von Klaus Bergmann und Arne Richter, dpa