Mbappé zwischen Rekorden und Enttäuschung

Seine grenzenlose Enttäuschung hatte Kylian Mbappé auch Stunden nach dem Abpfiff noch nicht verarbeitet. Wortlos und mit starrem Blick verließ Frankreichs Superstar in der Nacht das Lusail Stadion.

Der Jubel und die Freudengesänge der argentinischen Fußball-Weltmeister hallten durch die Arena, auch drei Tore von Mbappé im Endspiel hatten nicht gereicht, um das 2:4 (3:3, 2:2, 0:2) im Elfmeterschießen zu verhindern. «König ohne Krone», titelte «L’Équipe» zu einem Foto des bitter enttäuschten 23-Jährigen. 

Erst am nächsten Tag meldete sich Mbappé auf Instagram selbst zu Wort. «Wir werden zurückkommen», schrieb er trotzig zu einem Foto, auf dem er mit gesenktem Kopf am WM-Pokal vorbeigeht. Dabei gab es für Mbappé, der am Dienstag 24 Jahre alt wird, noch in der Nacht Trost und aufmunternde Worte von allen Seiten.

Trost vom französischen Präsidenten

 «Ich habe ihm gesagt, dass er erst 23 Jahre alt ist, er war Torschützenkönig dieser WM, er ist ein außergewöhnlicher Spieler. Er hat uns stolz gemacht», sagte Frankreich Präsident Emmanuel Macron, der Mbappé besonders lange umarmt hatte. «Kylian hat wirklich seine Fußstapfen hinterlassen in diesem Finale», sagte Trainer Didier Deschamps. Mit seinen Toren rettete Mbappé Frankreich erst in die Verlängerung und dann ins Elfmeterschießen.

Sogar von der Fußball-Ikone Pelé, dem einzigen Spieler mit drei WM-Titeln, gab es Trost. «Mein lieber Freund, vier Tore in Endspielen. Was für ein Geschenk es war, dieses Spektakel anzuschauen», schrieb er auf Instagram. 

Mbappé wandelt trotz der verpassten Chance auf seinen zweiten WM-Titel im Alter von 23 Jahren auf den Spuren Pelés. Als erster Spieler seit Geoff Hurst 1966 traf er dreimal in einem WM-Endspiel, mit seinem Treffer beim WM-Triumph 2018 gegen Kroatien kommt er auf vier Tore in WM-Finals – so viele wie kein anderer Spieler.

Und auch die nächsten Rekorde sind bereits in Reichweite: Mit seinen nun insgesamt zwölf WM-Toren liegt Mbappé nur einen Treffer hinter Frankreichs WM-Rekordtorschützen Just Fontaine, die Bestmarke von Miroslav Klose mit 16 Treffern ist auch greifbar. 

«Ihr werdet noch viele weitere Pokale gewinnen, denn ihr habt eine Erfahrung an Bord, die verrückt ist», sagte Macron in seiner Ansprache in der Kabine an die Mannschaft. Mbappé hat noch viele weitere Titelchancen und Jahre auf allerhöchstem Fußball-Niveau vor sich.

Mbappé gehört die Zukunft

Bei der kommenden Weltfußballer-Wahl Ende Februar dürfte Weltmeister Lionel Messi nach seiner finalen Krönung kaum zu schlagen sein, doch die Generation um den Superstar, die jahrelang den Weltfußball geprägt hat, verabschiedet sich langsam. Messi ist 35, sein langjähriger Rivale Cristiano Ronaldo 37, der bei der WM wieder einmal glücklose Neymar auch schon 30. 

«Mbappé hat es nicht wie Pelé gemacht», schrieb Radio France International mit Blick auf Brasiliens zwei WM-Triumphe 1958 und 1962. «Aber die Zukunft gehört ihm.»

Vor allem in der furiosen Schlussphase im Endspiel zeigte die Équipe Tricolore ihr Potenzial. Der Frankfurter Randal Kolo Muani (24 Jahre), der Mönchengladbacher Marcus Thuram (25) und der Münchner Kingsley Coman (26) kamen als Joker in die Partie und halfen mit, zwei Rückstände aufzuholen und Argentinien ins Elfmeterschießen zu zwingen. 

Und auch andere Stammspieler wie Dayot Upamecano (24), Aurélien Tchouaméni (22) und Jules Koundé (24) dürften noch weitere WM-Turniere vor sich haben. «Frankreich hat großartiges Potenzial», sagte Deschamps. «Ich bin optimistisch, was die Zukunft angeht.»

Deschamps lässt Zukunft offen

Die entscheidende Frage dürfte zunächst die nach der Zukunft von Deschamps sein, der auf zehn extrem erfolgreiche Jahre zurückblickt. «Auch wenn wir gewonnen hätten, hätte ich diese Frage nicht beantworten können», sagte der 54-Jährige, dessen Vertrag ausläuft. 

Deschamps plant ein Gespräch mit Verbandschef Noël Le Graët, als Nachfolger wird bereits Zinedine Zidane gehandelt. Macron hat eine klare Meinung dazu: «Didier Deschamps hat wieder einmal gezeigt, dass er ein immenser Trainer ist, ich möchte, dass er weitermacht.»

Miriam Schmidt, Jan Mies, Nils Bastek und Sebastian Stiekel, dpa