Henning Mühlleitner zog sich nach dem spektakulären Finaleinzug überglücklich die Badekappe vom Kopf.
«Nice, Junge», kommentierte der deutsche Überraschungsschwimmer seinen Vorlaufsieg über eine Weltrekordstrecke von Paul Biedermann. Auf der Tribüne jubelten die Teamkollegen um Weltmeister Florian Wellbrock mit Deutschland-Fahnen, nachdem der 24-Jährige aus Neckarsulm über 400 Meter Freistil seine Bestzeit um mehr als anderthalb Sekunden verbessert hatte. In 3:43,67 Minuten überraschte er die Weltelite.
«Im ersten Moment habe ich mich riesig gefreut über die Zeit», sagte Mühlleitner und zeigte gleichzeitig Respekt, dass er nun auf der Favoritenbahn schwimmt. «Das bringt natürlich ein bisschen Druck rein.» Seinen Plan für die folgenden Stunden verriet er im ZDF: Möglichst wenig «Körner» verlieren, «schnell einschlafen, um dann wieder angreifen zu können».
Mit seinem couragierten Auftritt imponierte Mühlleitner auch dem Weltrekordler in der Heimat. «Ich bin sehr beeindruckt von den Leistungen der beiden deutschen Männer über die 400 Freistil. Insbesondere Hennig Mühlleitner hat ein Wahnsinns-Rennen abgeliefert», sagte Biedermann und kündigte an, sich den Wecker für die Finals zu stellen. In der Nacht zum Sonntag (03.52 Uhr) kann Mühlleitner völlig überraschend vielleicht sogar in den Medaillenkampf eingreifen. Das wäre nach zwei Sommerspielen ohne Beckenmedaille der lang ersehnte Coup für das deutsche Team.
Märtens und Heidtmann raus
Der erst 19-jährige Lukas Märtens blieb in 3:46,30 Minuten unter seinen Möglichkeiten und verpasste als Zwölfter das Finale. «Ich denke, der Kopf hat mir einen kleinen Streich gespielt», haderte der Junior bei seiner Olympia-Premiere. Rang zwölf nach den Vorläufen über 400 Meter Lagen reichte auch für Jacob Heidtmann nicht. In starken 4:12,09 Minuten blieb er nur eine Hundertstelsekunde unter seinem deutschen Rekord.
«Ich hatte richtig Bock darauf, die Show hier zu eröffnen. Ich hätte es gerne noch ein bisschen besser gemacht fürs Team», sagte Heidtmann. Ins Halbfinale zogen über 100 Meter Brust Lukas Matzerath (Frankfurt/Main) und Fabian Schwingenschlögl (Neckarsulm) ein. «Allein die Ringe auf der anderen Seite zu sehen, ist schon überwältigend», sagte Matzerath über die Rennen vor weitestgehend leeren Rängen. Die Frauen-Staffel über 4 x 100 Meter Freistil verpasste auf Rang 13 das Finale.
Chance nach langer Pause genutzt
Größter Hoffnungsträger im deutschen Schwimm-Team ist Doppel-Weltmeister Wellbrock. Er ist am Wochenende nur Zuschauer, aber am Finaleinzug von Mühlleitner hatte er auch Anteil. Denn Mühlleitner, EM-Dritter 2018, konnte als Dritter in der Rangliste hinter Wellbrock und Märtens nur deshalb in das olympische Einzelrennen starten, weil Wellbrock sich auf andere Strecken konzentrieren will und verzichtete. Mühlleitner, der lange von einer rätselhaften Bakterienerkrankung nach einer Knie-Operation ausgebremst worden war, nutzte seine Chance im Vorlauf bravourös.
«Ich freue mich riesig für Henning, dass er sich so wieder zurückkämpfen konnte in die Weltspitze», hatte Bundestrainer Hannes Vitense schon in der Olympia-Vorbereitung frohlockt. Jetzt dürfte seine Freude noch etwas größer sein.
Überraschungen gab es aber auch international. So scheiterte der japanische Goldkandidat Daiya Seto im Vorlauf über 400 Meter Lagen, nachdem er in Weltrekordzeit angegangen war. Für den Olympia-Gastgeber war das eine herbe Enttäuschung.