Mit Sorgen um French-Open-Start: Djokovic zurück in Belgrad

Novak Djokovic war noch auf dem Weg nach Belgrad, als für den Tennis-Weltranglisten-Ersten nach der Abschiebung aus Australien schlechte Kunde aus Frankreich kam.

Auch eine Titelverteidigung bei den French Open könnte sich für den 34-jährigen Serben zerschlagen, falls er sich nicht gegen das Coronavirus impfen lässt. Der Empfang in Belgrad fiel nach der Landung am Montagmittag verhalten aus – gemessen an der Unterstützung von höchster Stelle während des Streits um das verweigerte Visum in Australien. Eine Handvoll Fans, aber rund 30 Kamera-Teams erwarteten den von Melbourne über Dubai in die serbische Hauptstadt geflogenen Djokovic, der den Flughafen kommentarlos durch einen Nebeneingang verließ.

Der Gewinner von 20 Grand-Slam-Turnieren dürfte schnell erfahren haben, was Frankreichs Sportministerin Roxana Maracineanu bei Twitter mitgeteilt hatte. In Frankreich dürften auch in- und ausländische Sportler künftig nur antreten, wenn sie geimpft oder genesen sind. Das zweite Grand-Slam-Turnier der Saison beginnt am 16. Mai in Paris.

Landsleute denken an Djokovic

In Melbourne laufen nach dem fast zweiwöchigen juristischen Tauziehen um das Visum des unfreiwillig abgereisten Titelverteidigers nun die Australian Open. Der Spanier Rafael Nadal, der mit dem 21. Grand-Slam-Titel alleiniger Rekordsieger bei den vier wichtigsten Turnieren vor Djokovic und dem Schweizer Roger Federer werden kann, startete mit einem problemlosen Sieg. Natürlich gebe es mehrere Verantwortliche in der schrecklichen Situation der vergangenen zwei Wochen, sagte der 35-Jährige und fügte mit Blick auf Djokovic an: «Aber natürlich ist er auch einer der Verantwortlichen.»

Miomir Kecmanovic – eigentlich Erstrundengegner von Djokovic – widmete seinen Sieg über den nachgerückten Italiener Salvatore Caruso seinem prominenteren Landsmann. Der serbische Profi Dusan Lajovic zeigte nach seinem Sieg eine serbische Fahne mit einem Djokovic-Bild und den Worten: «Mögt es oder nicht, der Größte aller Zeiten.»

Australiens Premierminister Scott Morrison verdeutlichte, dass die Einreisesperre nicht zwingend für drei Jahre gelten müsse. Damit werde man sich zu gegebener Zeit befassen. Das Bundesgericht Australiens hatte den Einspruch von Djokovic gegen die erneute Annullierung seines Visums abgelehnt.

Politiker zurückhaltend

Die Politik in Serbien ging mit der Ankunft eher verhalten um. Spitzenpolitiker posierten zunächst nicht mit ihm. Goran Vezic, der Vize-Bürgermeister von Belgrad, kündigte zumindest an, dass Djokovic den Preis der Stadt Belgrad erhalten werde.

Ebenfalls aufs Konto der hauptstädtischen Verwaltung ging die Illuminierung eines weit sichtbaren Büroturms am Save-Ufer. Grundiert von den serbischen Nationalfarben rot-blau-weiß lief der Schriftzug «Nole, du bist der Stolz Serbiens» über das Gebäude. Nole ist eine Koseform des Vornamens Novak.

Die serbische Regierung unter dem mächtigen Präsidenten Aleksandar Vucic pflegt einen eher opportunistischen Zugang zum Tennis-Idol, das seinen Wohnsitz eigentlich in Monaco hat. So lange Djokovic im spartanischen Abschiebehotel in Melbourne untergebracht und der angeblichen Willkür australischer Behörden ausgesetzt war, war er der rechts-populistischen Führung in Belgrad von Nutzen.

Verschwörungserzählungen

Denn seit langem gab es keine Angelegenheit mit weltweiter Beachtung, die sich so gut dafür geeignet hätte, die ewige Verschwörungserzählung von den missverstandenen und zu Unrecht bestraften Serben neu aufzutischen. Vucic, andere Regierungspolitiker und Djokovics Familie in Belgrad wurden nicht müde, den Australiern vorzuwerfen, dass sie den Tennisstar quälen und schikanieren würden, weil er ein Serbe ist. Und weil Serbien stets gegen das global Böse und für die Unterdrückten dieser Welt kämpfe.

Praktisch die gleiche Verschwörungserzählung unterfütterte die Kriege im ehemaligen Jugoslawien in den 1990er Jahren. Sie waren von Serbien ausgegangen, weil der damalige Machthaber Slobodan Milosevic beim Zerfall Jugoslawiens weite Teile Kroatiens und Bosnien-Herzegowinas einem neuen «Groß-Serbien» einverleiben wollte. In Serbien selbst war man aber nur das Opfer.

Nur 47 Prozent vollständig geimpft

Vucic war als Jungpolitiker Informationsminister der Milosevic-Regierung und berüchtigt für die Unterdrückung kritischer Medien. Heute gibt er sich als pragmatisch gewandelter National-Konservativer. Kritiker werfen ihm vor, unter veränderten Bedingungen weiterhin die Ziele der Milosevic-Ära zu verfolgen.

Djokovic ist ihm im eigenen Land durchaus nicht von Nutzen. Aus staatspolitischer Räson und unter dem Druck der serbischen Gesundheitsexperten verfolgt seine Regierung eine klare Linie zugunsten der Impfung gegen Corona. Trotzdem sind nur 47 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. Insofern Djokovic von Impfgegnern als Ikone betrachtet wird, hält sich die Begeisterung der Belgrader Führung für ihn in Grenzen.

Von Gregor Mayer, Kristina Puck und Robert Semmler, dpa