In den letzten Sekunden schickte Nico Sturm das «ein oder andere Stoßgebet nach oben», danach gab es auch für den deutschen Profi des neuen NHL-Champions kein Halten mehr.
Es folgten Umarmungen, Freudenschreie, grenzenloser Jubel und der Genussmoment mit dem fast 20 Kilogramm schweren und 90 Zentimeter großen Stanley Cup in den hoch erhobenen Armen auf dem Eis des geschlagenen und entthronten Gegners.
«Das ist das Schwerste, was man in seinem professionellen Leben machen kann als Eishockey-Profi», sagte der 27 Jahre alte Augsburger dem Sender Sky nach dem 16. und wichtigsten Sieg der Colorado Avalanche in den Playoffs. «Man hat sich vorgestellt, dass es eine Explosion der Gefühle sein wird. Aktuell fühlt es sich aber einfach unrealistisch an. Das wird ein paar Tage dauern», betonte er.
«Reise an die Spitze»
2:1 gewann Colorado in der Nacht auf Montag bei Tampa Bay Lightning, immerhin der NHL-Gewinner der vergangenen beiden Jahre. Mit dem Sieg beim Rivalen schafften die Avs den entscheidenden vierten Erfolg in der Finalserie im sechsten Aufeinandertreffen. «Das schlechteste NHL-Team vor fünf Jahren hat seine Reise an die Spitze der Hockey-Welt Sonntagabend vollendet», schrieb die «Denver Post». Am Ende der Saison 2016/17 hatte Colorado den 30. und letzten Platz in der NHL belegt. Die Bilanz verheerend: 56 Niederlagen in 82 Spielen.
«Es war, als würde ich ein Videospiel schauen», sagte Erik Johnson nun auf dem sportlichen Höhepunkt. Mit 34 Jahren gehört er zu den älteren Colorado-Spielern, seit 2011 spielt er für Avalanche, im vergangenen Jahr wollte er seine Karriere beinahe beenden. Kapitän Gabriel Landeskog gab ihm die Trophäe nach dem Triumph als erstem weiter für die triumphal-emotionale Ehrenrunde. «Sie ist schwerer, als ich gedacht hatte», kommentierte Johnson.
«Man möchte nicht derjenige sein, der ihn fallen lässt», kommentierte Sturm mit einem Lachen. Für ihn wurde es ein Stanley-Cup-Gewinn im Eiltempo. Erst Mitte März war er von Minnesota Richtung Denver gewechselt – mit nur einem Ziel: «Ich will der Mannschaft in Colorado helfen, den Stanley Cup zu gewinnen. Über alles andere mache ich mir nach der Saison Gedanken.»
Fünfter deutscher Stanley-Cup-Sieger
Zeit zum Nachdenken wird erstmal nicht so viel bleiben, die Party begann mit der Schlusssirene in Tampa und wird so schnell wohl nicht vorbei sein. Helme flogen hoch durch die Luft, die Schläger fegten übers Eis, an der Bande herzten sich die in einer riesigen Jubeltraube. «Das Allerschönste ist, dass man solche Momente mit der Familie teilen kann, mein Bruder und meine Freundin sind hier. Ich möchte einfach ‚Danke‘ sagen, auch an meine Eltern zuhause», betonte Sturm, der erst als fünfter Deutscher in der stärksten Eishockey-Liga der Welt den Titel holte. Vor ihm war das nur Uwe Krupp, Dennis Seidenberg, Tom Kühnhackl und Philipp Grubauer gelungen.
Entsprechend erfreut zeigte sich auch Bundestrainer Toni Söderholm und gratulierte über die sozialen Netzwerke «einem feinen Menschen und Athlet, der sich alles durch harte, kompromisslose Arbeit verdient hat. Genieß den Stanley Cup lieber @nicosturm7, den heiligen Gral im Eishockey». Es gebe ganz viele gute Spieler, auch deutsche Spieler, die diese Chance gar nicht bekommen hätten, sagte Sturm selbst. «Man muss Glück haben, dass man sich in so eine Position spielt.»
Die Avalanche, die am Donnerstag in Denver mit einer großen Parade gefeiert werden sollen, behielten durch den Erfolg ihre hundertprozentige Ausbeute. Jedes Mal, wenn das Team es in die entscheidende Serie um den Titel geschafft hat, stand am Ende die Meisterschaft: 1996, 2001 und 2022.