Nach 31 Jahren: Kugelstoßer Crouser löscht Uralt-Weltrekord

Die ersten herzlichen Umarmungen seiner Konkurrenten nahm Ryan Crouser bereits entgegen, als noch nicht einmal die Weite angezeigt war.

Ein Weltrekord des amerikanischen Kugelstoß-Olympiasiegers hatte sich längst angedeutet. Bei den US-Meisterschaften der Leichtathleten in Eugene war es nun so weit: Sein 7,26 Kilogramm schweres Gerät landete knapp vor der Betonumrandung und bei 23,37 Metern – damit übertrumpfte Crouser die 31 Jahre alte Bestmarke seines Landsmanns Randy Barnes (23,12).

«Schon so lange gewollt»

Für den 2,01 Meter großen und 145 Kilo schweren Sportler war es natürlich «ein wirklich spezieller Moment» im neuen Hayward Field-Stadion. «Ich hatte den Weltrekord schon so lange gewollt, es fühlte sich an, als ob ein Stein von meinem Herzen gefallen sei», sagte Crouser nach seinem Coup. «Ich wusste, dass ich die Stärke und die Power habe, ich musste es nur umsetzen.»

Bereits in der Qualifikation glänzte der WM-Zweite mit 22,92 Meter, sechs Stunde später übertraf er im vierten Versuch den Rekord von Barnes von 1990 um gleich 25 Zentimeter. Der zweimalige Weltmeister Joe Kovacs (22,34) musste sich als Zweiter mit mehr als einem Meter geschlagen geben. Crouser hatte im Januar mit 22,82 Metern Barnes bereits den Hallenweltrekord abgenommen. Im Mai schaffte er 23,01 Meter und deutete einmal mehr sein Potenzial an.

Vorgänger Timmermann: «Nicht sein letztes Wort»

Vorgänger von Barnes als Freiluft-Weltrekordler war der frühere DDR-Leichtathletik-Star Ulf Timmermann, der bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul die Kugel 23,06 Meter weit stieß. Der heute 58-Jährige sowie Barnes und Crouser sind die einzigen, die jemals über 23 Meter kamen. Timmermann traut dem neuen Weltrekordler weitere Steigerungen zu. «Das wird nicht sein letztes Wort gewesen sein», sagte der Berliner am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. «Er hat eine tolle Technik, ist unglaublich dynamisch und sehr konstant.»

Timmermann sieht Crouser auch nicht unter Doping-Verdacht, obwohl das Kugelstoßen einen schlechten Ruf hat und in der Vergangenheit immer wieder durch prominente Fälle auffiel: «An solchen Diskussionen will ich mich nicht beteiligen. Ich bin kein Freund davon, alles in Frage zu stellen.»

Crouser – dessen lange roten Haare mit einem Dutt und einem Stirnband gebändigt sind – ließ sich nach seinem Kraftakt gebührend feiern und drehte eine Ehrenrunde mit einem US-Fähnchen. Für ihn ging ein langgehegter Traum in Erfüllung: «Ich habe an diesen Moment gedacht, seit ich angefangen habe zu stoßen.»

Von Ulrike John, dpa