Mit der Bronzemedaille um den Hals genoss Florian Wellbrock seinen Auftritt auf dem Olympia-Podium auch ohne Gold-Coup.
«Besonders die Siegerehrung hat nochmal einen anderen Geschmack als bei einer Weltmeisterschaft», sagte der WM-Champion nach dem olympischen Freistilrennen über 1500 Meter. «Und auch wenn ich jetzt, ’nur‘ Dritter geworden bin: Es war trotzdem sehr schön und es fühlt sich unglaublich gut an.» Doppel-Olympiasiegerin Britta Steffen würdigte den Erfolg als «Lebensleistung».
Wellbrock und seine Verlobte Sarah Köhler bescherten den deutschen Beckenschwimmern nach 13 Jahren ohne Olympia-Medaille glänzende Tokio-Momente. Das Schwimm-Traumpaar und einige positive Überraschungen übertünchten aber auch zahlreiche Enttäuschungen in der japanischen Hauptstadt.
Lange auf Gold-Kurs
«Mir ist natürlich ein riesen Stein vom Herzen gefallen – keine Frage», sagte Wellbrock. Der Favorit lag am Schlusstag der Beckenwettbewerbe lange auf Gold-Kurs, musste sich nach vielen Führungsmetern aber dem 800-Meter-Olympiasieger Robert Finke aus den USA und dem ukrainischen Vize-Weltmeister Michailo Romantschuk geschlagen geben. Vor den Augen von Köhler, die auf der Tribüne mitfieberte, schlug Wellbrock nach 14:40,91 Minuten an. Zu Platz eins fehlten dem Doppel-Weltmeister 1,26 Sekunden.
In den Katakomben im Tokyo Aquatics Centre wirkte Wellbrock zufrieden. Riesige Euphorie strahlte der 23-Jährige, der in Japan noch eine Goldchance hat, aber nicht aus. «Ein bisschen ärgerlich, dass ich es hinten raus nicht halten konnte. Aber die anderen beiden Jungs haben einen super Job gemacht und ich möchte jetzt auf gar keinen Fall bei einer Bronzemedaille bei Olympischen Spielen meckern», sagte er.
Nach dem Europameistertitel 2018 und dem Erfolg bei der WM vor zwei Jahren blieb Wellbrock die ganz große Krönung im Olympia-Becken mit Gold verwehrt – noch. «Jetzt auf Platz drei ist natürlich schön, keine Frage, aber man will natürlich immer höher, weiter, mehr», sagte der ehrgeizige Sportler im ZDF. «Jetzt müssen wir die nächsten drei Jahre daran arbeiten und dann gucken, was in Paris dabei rauskommt.» In der französischen Metropole finden 2024 die Sommerspiele statt.
Bronze große Bedeutung
In diesem Jahr hat schon Bronze eine große Bedeutung. «Seit 21 Jahren hat er die erste olympische Medaille für Männer bei den Beckenschwimmern geholt und daher ist die Leistung über 1500 Freistil nicht hoch genug zu bewerten», sagte Weltrekordler Paul Biedermann der Deutschen Presse-Agentur. Im Jahr 2000 hatte Rückenschwimmer Stev Theloke als letzter deutscher Mann mit Bronze über 100 Meter eine olympische Medaille in einer Einzel-Disziplin im Becken bejubelt – nun kam Wellbrock.
Vier Tage vor ihrem Partner hatte sich Köhler über Bronze über dieselbe Distanz freuen können. Es war die erste deutsche Beckenmedaille seit Doppel-Gold von Britta Steffen 2008. «Dieser junge Mann wird uns in den nächsten Jahren viel Freude bereiten und dass man einen deutschen Beckenschwimmer in der Welt auf dem Schirm hat, ist auch ein Verdienst», sagte die 37-Jährige der dpa über Wellbrock.
Für die Stimmung und Wahrnehmung der Schwimmer sind die Erfolge der beiden Langstreckenspezialisten viel Wert. Das Ende der Serie von zwei olympischen Nullnummern in London 2012 und Rio de Janeiro 2016 freute auch Freiwasser-Rekordweltmeister Thomas Lurz. «Sehr gut für uns und den Verband», stellte der 41-Jährige fest.
Nachholbedarf auf kurzen Strecken
Auf den kurzen Strecken haben die deutschen Schwimmer allerdings noch viel Nachholbedarf. Nicht nur dort dominierten vor allem die großen Schwimm-Nationen USA, Australien und Großbritannien. US-Modellathlet Caeleb Dressel krönte sich mit fünf Goldmedaillen wie erwartet zum erfolgreichsten Schwimmer der ersten Spiele seit 1996 ohne Superstar Michael Phelps. Dressel war auch an zwei der sechs Weltrekorde beteiligt. Spitzenreiter in der Medaillenwertung war die USA mit elfmal Gold, zehnmal Silber sowie neunmal Bronze. Erfolgreichste Frau war die Australierin Emma McKeon mit viermal Gold und dreimal Bronze.
Bundestrainer Bernd Berkhahn sah aus deutscher Sicht «eine positive Entwicklung im Vergleich zu Rio». Bei den Spielen vor fünf Jahren gab es drei sechste Plätze bei sieben Final-Teilnahmen. Diesmal standen acht Final-Teilnahmen für deutsche Schwimmer in der Bilanz. Neben den beiden Bronzemedaillen gab es unter anderem zwei vierte Ränge durch Wellbrock über 800 und Henning Mühlleitner über 400 Meter Freistil.
Buschkow würdigt Erfolge
Auch Leistungssportdirektor Lutz Buschkow würdigte die Erfolge über die längeren Distanzen. «In anderen Bereichen, was Kurz- und Mittelstrecke angeht, haben wir unsere Reserven gesehen», sagte er. «Da muss man sicher in der Zukunft die Konzepte nochmal überdenken.» Zu den Schwimmern, die ihre Topform zum großen sportlichen Höhepunkt nicht erreichten, zählten langjährige Leistungsträger wie Marco Koch, Philip Heintz und Franziska Hentke bei deren Olympia-Abschied.
Während die drei längst abreisen mussten, hat Wellbrock auch in der zweiten Olympia-Woche noch eine Chance auf Edelmetall. «Eine Feier ist nicht drin», sagte er mit Blick auf sein Freiwasser-Rennen am Donnerstag, wo er zu den Goldkandidaten zählt. «Ich muss jetzt regenerieren für die zehn Kilometer. Das wird anstrengend genug.»