Nach Platz sieben bei der EM: Handballerinnen wollen mehr

Eine leise Enttäuschung war bei Deutschlands Handballerinnen immer noch spürbar, als sie am Donnerstag den Flieger in die Heimat statt zum EM-Finalwochenende nach Ljubljana bestiegen. Und auch für die Verantwortlichen des Deutschen Handballbundes war der siebte Platz bei der Endrunde in Slowenien, Montenegro und Nordmazedonien weder Fisch noch Fleisch.

«Wenn man es positiv ausdrücken will, haben wir unsere Position unter den ersten Acht gefestigt. Wenn man negativ sein will, kann man sagen, es hat keinen Schritt nach vorne gegeben, was die Platzierung angeht», sagte DHB-Präsident Andreas Michelmann vor der Abreise aus Skopje.

Einmal mehr musste der Verband nach einem großen Turnier konstatieren, dass die internationale Spitze noch ein Stück weit weg ist. Und einmal mehr wurde betont, irgendwann einmal dort ankommen zu wollen. «Unser Anspruch ist es, in der Zukunft eine Mannschaft zu haben, die reif ist für das Halbfinale», verkündete Michelmann.

Gaugisch soll für Aufschwung sorgen

Ähnliche Töne schlug DHB-Sportvorstand Axel Kromer an. «Die Platzierung liegt nicht außerhalb des Rahmens, den man erwarten konnte. Aber natürlich haben wir höhere Ziele und wollen mittelfristig andere Plätze erreichen, die weiter oben liegen», sagte er.

Bundestrainer Markus Gaugisch, der das Amt erst im April dieses Jahres von Henk Groener übernommen hatte, soll für den Aufschwung sorgen. Immerhin warten die deutschen Handballerinnen seit 2007 auf eine Medaille bei einem Großereignis. Damals gab es WM-Bronze. Spätestens bei der WM 2025, die Deutschland gemeinsam mit den Niederlanden ausrichtet, soll das DHB-Team wieder reif für Edelmetall sein.

Dafür bedarf es einer deutlich größeren Breite in der Spitze sowie der Verbesserung der individuellen Qualität und Handlungsfähigkeit einzelner Spielerinnen. «Das müssen wir weiterentwickeln», sagte Gaugisch. «Wir wollen gemeinsam mit den Vereinen an den entsprechenden Stellschrauben drehen, damit wir Stück für Stück besser werden. Da haben wir noch einige Hausaufgaben zu machen.»

Parallel dazu plant der Verband langfristige Verbesserungen bei der Ausbildung von Talenten. Spätestens zur Saison 2024/25 sollen vier Bundesleistungszentren in Dortmund, Hannover, Leipzig und Stuttgart ihre Arbeit aufnehmen und dann für permanenten Nachschub an Spitzenspielerinnen sorgen.

Viele unter ihren Möglichkeiten

Derzeit ist die Decke zu dünn, wie sich bei der EM zeigte. Während Leistungsträgerinnen wie Emily Bölk, Alina Grijseels oder Xenia Smits die Erwartungen weitgehend erfüllten, blieben etliche Spielerinnen unter ihren Möglichkeiten. «Es gab zu viele Schwankungen», monierte Gaugisch. «Deshalb habe ich oft nicht die Möglichkeit gesehen, viel zu wechseln.»

Kamen die Niederlagen gegen Olympiasieger Frankreich und Co-Gastgeber Montenegro, die wie Titelverteidiger Norwegen und Dänemark das Halbfinale erreichten, nicht überraschend, tat die Pleite gegen Spanien zum Abschluss der Vorrunde richtig weh. «Leider haben wir den letzten Punch nicht hinbekommen. Sonst wären wir jetzt auf dem Weg nach Ljubljana. Das war unser Traum», sagte Gaugisch.

Aus Sicht des 48-Jährigen gab es aber auch viel Positives. «Wir haben konsequent und konzentriert gearbeitet und viele gute Sachen etabliert. Was wir hervorragend hinbekommen haben, ist die Entwicklung als Mannschaft», lobte Gaugisch. Dessen bisherige Arbeit stimmt die DHB-Bosse zuversichtlich für die Zukunft. «Ich habe den Eindruck, dass er mit seiner sehr kommunikativen Art gut bei den Spielerinnen ankommt», lobte Michelmann den Bundestrainer. Der will mit dem Team bei der WM 2023 einen neuen Anlauf nehmen.

Eric Dobias, dpa