Nächster Titel für Tuchel – Chelsea besiegt Villarreal

Thomas Tuchel schnappte sich seinen Matchwinner und drückte ihm erstmal einen dicken Kuss auf die Wange. Dank des nur für das Elfmeterschießen eingewechselten Torwarts Kepa hat der FC Chelsea nach der Champions League auch den europäischen Supercup gewonnen.

Mit den drei Nationalspielern Kai Havertz, Timo Werner und Antonio Rüdiger setzten sich die Blues am Abend in Belfast gegen den FC Villarreal in der Entscheidung vom Punkt mit 6:5 durch. Nach 120 Minuten hatte es 1:1 (1:1, 1:0) gestanden.

«Es war nicht spontan», sagte Tuchel über den Wechsel von Édouard Mendy zu Kepa kurz vor Schluss. «Wir waren gut vorbereitet und hatten die Statistik, dass Kepa der Beste im Halten von Elfmetern ist. Die Analysten haben mir die Daten gezeigt – und wir haben mit den Spielern gesprochen, dass das in K.o.-Spielen passieren kann. Es ist fantastisch, wie Edou (Mendy) das akzeptiert hat.»

Havertz vergab zwar den ersten Elfmeter für Chelsea, dann aber hielt Kepa zwei Versuche des Gegners. Tuchel feierte nach Jürgen Klopp (FC Liverpool) und Hansi Flick (FC Bayern) als dritter deutscher Trainer in Serie den Sieg im traditionellen Kräftemessen der Europapokalsieger.

Villarreal-Steigerung bringt Ausgleich

Der Europa-League-Gewinner aus Spanien hatte sich in der zweiten Halbzeit enorm gesteigert – dann aber kein Glück gegen die Londoner, die bald millionenschwer verstärkt werden sollen. Hakim Ziyech (27.) erzielte nach Vorarbeit von Harvertz die Führung. Gerard Moreno (73.) sorgte mit seinem Tor für die Extraschicht in Nordirland. Sein Trainer Unai Emery verpasste auch im dritten Anlauf den Gewinn des silbernen Supercups.

Wie 74 Tage zuvor im Endspiel der Königsklasse gegen Manchester City setzte Tuchel von Beginn an auf seine drei deutschen Profis, die eine enttäuschende Europameisterschaft erlebt hatten. Werner prüfte früh Villarreals Torwart Sergio Asenjo nach einer Ecke aus dem Stand (6.). Chelsea war in der Anfangsphase vor 13 000 Zuschauern das klar bessere Team, der als Kapitän spielende N’Golo Kanté zwang Asenjo per Fernschuss zu einer Parade (9.). An der Seitenlinie applaudierte Tuchel energisch.

Neuigkeiten zur spektakulären Rückkehr des belgischen Nationalspielers Romelu Lukaku zu den Blues gab es am Abend zunächst nicht. Der 28 Jahre alte Stürmer soll für 115 Millionen Euro von Inter Mailand kommen – und dürfte Werner dessen Platz im Sturmzentrum streitig machen. Der 25 Jahre alte Deutsche kann allerdings auch auf die Flügel ausweichen.

In Belfast wurde die linke Seite wieder von Havertz besetzt, der das Führungstor durch den auf der rechten Seite spielenden Ziyech wunderbar vorbereitete. Tuchel ballte grinsend die Hand zur Faust – Emery wütete in seiner Coaching-Zone. Der «Mr. Europa League» getaufte Spanier hatte mit dem Finalsieg im Elfmeterschießen gegen Manchester United seinen vierten Titel in dem kleineren Europapokal gefeiert.

Von Gewinn des Supercups war Villarreal unmittelbar nach dem Rückstand weit entfernt. Das «Gelbe U-Boot», wie der Club genannt wird, steigerte sich aber mit zunehmender Spieldauer und hatte auch vor dem Ausgleich mit zwei Pfostenschüssen (45.+4 und 52.) richtig gute Chancen. «Wenn es jemanden in der Kabine gäbe, der sie unterschätzt, wäre ich überrascht – und wütend», hatte Tuchel kurz vor dem Anpfiff gesagt.

Sorgenvoll musste der frühere Bundesliga-Trainer mitansehen, wie Ziyech in der 43. Minute mit einer Verletzung wohl an der Schulter ausgewechselt wurde. Kurz drauf sah Rüdiger nach einem Foul die Gelbe Karte – ebenso wie Tuchel, der nach Ansicht von Schiedsrichter Sergej Karassjow zu viel lamentierte (45.+1).

Havertz traf kurz nach dem Wiederanpfiff nur das Außennetz (48.), Villarreal gestaltete die Partie immer offener. Tuchel reagierte mit einem Dreifachwechsel und brachte unter anderem den italienischen Europameister Jorginho in die Partie (65.). Werner ging für Mason Mount vom Platz. Es half nicht viel – im Gegenteil: Nach einem Fehlpass von Rüdiger kombinierte sich Villarreal in Richtung Blues-Tor und Moreno traf zum inzwischen verdienten Ausgleich. Die Verlängerung wurde zum Nervenspiel.

Von Jan Mies und Jens Marx, dpa