Nagelsmann erwartet keine «Folgeschäden» bei Kimmich

Der Comeback-Plan für Joshua Kimmich steht, Sorgen hegt Julian Nagelsmann bei der angestrebten Rückkehr zu alter Stärke keineswegs.

«Es ist nicht so dramatisch, dass man irgendwelche Folgeschäden erwarten kann», sagte der Bayern-Trainer am Tag nach der aufschreckenden Nachricht, dass der Fußball-Nationalspieler erst beim Start ins WM-Jahr wieder Vollgas geben kann. «Ich freue mich, wenn er wieder da ist und wieder eingreifen kann. Ich glaube, dass seine Motivationslage dann um ein Vielfaches erhöhter ist als ohnehin», sagte Nagelsmann, der am Samstag (15.30 Uhr/Sky) gegen den FSV Mainz 05 seinen 100. Bundesliga-Sieg feiern möchte.

Der in den vergangenen Wochen im Zentrum vieler Debatten stehende Kimmich muss sich seit schon über fünf Wochen, eine für Nagelsmann «ewig lange Zeit», gedulden. «Grundsätzlich ist er psychisch stabil, ihn ärgert es natürlich», sagte Nagelsmann. Kimmich sei «einer der Ehrgeizigsten» und «einer, der Hummeln im Bobbes hat».

Kimmich plant Comeback im Januar

Umso schwerer ist es ausgerechnet für Kimmich, der sich ungeimpft mit Corona infiziert hatte, zum Warten verdammt zu sein. «Die restlichen drei Spiele in diesem Jahr schaue ich mir noch von der Couch aus an und ab Januar attackieren wir dann wieder zusammen», versicherte Kimmich via Instagram. Ersetzt wird er gegen Mainz einmal mehr durch den plötzlich wieder wichtig gewordenen Franzosen Corentin Tolisso.

Zwar befürchtet Nagelsmann keine Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit seines Leaders, aber trotzdem ist der lange Ausfall ein warnendes Beispiel, wie hart das Coronavirus selbst durchtrainierte Leistungssportler stoppen kann.

«Ich mache mir gar keine Sorgen, weil die Infiltration nicht so dramatisch ist», sagte Nagelsmann über Kimmich. Wegen leichter Infiltrationen in der Lunge kann dieser noch nicht voll trainieren. Kimmich darf Herz und Körper nur leicht belasten. Nach weiteren Untersuchungen in etwas mehr als einer Woche werden die weiteren Schritte abgestimmt. Kimmich, der Bedenken beim Thema Impfen wegen «fehlender Langzeitstudien» hatte, darf davon ausgehen, dass es für ihn keine Langzeitfolgen gibt.

«In die richtige Richtung unterwegs»

Nagelsmann gab Einblicke, dass die zum Teil scharfen Debatten nicht leicht für seine Führungskraft waren. «Es geht nicht ganz spurlos an einem Menschen vorbei, wenn er durchs Dorf getrieben und verantwortlich gemacht wird für sehr viele Dinge, die im Land passieren und die garantiert nicht alle Josh Kimmich verbockt hat», sagte Nagelsmann. Kimmich sei kein Sündenbock. «Er hat für sich eine Entscheidung getroffen, die man akzeptieren muss.» Verschiedene Meinungen zuzulassen, sei für die Gesellschaft wichtig.

Trainer Nagelsmann ließ nach Quarantäne-Ausfallen ungeimpfter Spieler zuletzt durchblicken, dass man aber «da in die richtige Richtung unterwegs» sei. Von medizinischer Seite, prominent vertreten durch DFB-Arzt Tim Meyer, gibt es den Rat zur Impfung sowieso.

Auch der neue Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hält es für falsch, Kimmich Vorwürfe zu machen. Lauterbach wünscht Kimmich, dass er vollständig gesund wird und wieder die gewohnte Leistung abrufen kann. Im TV-Sender Bild sagte der SPD-Politiker aber auch: «So ein Fall zeigt natürlich, wie gefährlich die Infektion ist.» Dies gelte auch, wenn man kerngesund und voll durchtrainiert sei. «Und trotzdem ist das kein Pappenstiel, wenn jemand wie Joshua Kimmich erkrankt.»

Mainz 05 verwies auf seine hohe Quote. «Ein Corona-Ausbruch innerhalb einer Saison kann über Meisterschaft und Abstieg entscheiden. Wir sind bei Mainz 05 inzwischen bei 100 Prozent, jeder Spieler und Mitarbeiter rund um die Mannschaft ist geimpft, zwei sind genesen», sagte Sportvorstand Christian Heidel der «Frankfurter Rundschau».

Bayern auf Kurs

Trotz zuletzt reichlich Corona-Ausfällen sind die Bayern als Achtelfinalist in der Champions League und Bundesliga-Spitzenreiter top auf Kurs. Nach dem 3:0 gegen Barcelona soll im Geisterspiel und bei der Rückkehr von Serge Gnabry nun der nächste Erfolg her. Eine Woche nach dem gefeierten 3:2 bei Borussia Dortmund würden ein eigener Sieg und eine BVB-Pleite vorzeitig die Herbstmeisterschaft bringen. Weiter nicht dabei ist der angeschlagene Leon Goretzka.

Der unerwartet lange Ausfall von Kimmich rückt dabei den fast schon aufs Abstellgleis geratenen Weltmeister Tolisso noch mehr in den Fokus. «Er hat herausragende Qualitäten», sagte Nagelsmann lobend zu Ballsicherheit, Mut und Präsenz des 27-Jährigen. Der immer wieder von Verletzungen gestoppte Tolisso brauche das Bewusstsein, dass er «großen Einfluss haben kann», sagte Nagelsmann. «Ich hatte das Gefühl, dass er so ein bisschen dachte, er läuft unter dem Rader und hat sich nicht so wichtig gefühlt, wie er es in meinem Kopf ist.»

Tolisso, der im Sommer 2017 für die damalige Münchner Rekordsumme von 41,5 Millionen Euro kam, gilt seit langem als Verkaufskandidat. Der Vertrag läuft am 30. Juni 2022 aus. Jetzt kann sich der Franzose wieder für eine Vertragsverlängerung oder einen Wechsel empfehlen, ein Transfer im Winter wäre angesichts der Kimmich-Pause riskant. Frühestmöglicher Termin für Kimmichs Comeback ist der Rückrundenstart am 7. Januar gegen Mönchengladbach. Bis zum ersten Länderspiel des WM-Jahres im März hat der Mittelfeldchef noch etwas mehr Zeit.

Von Christian Kunz, dpa