Es ist eines von Joachim Löws Problemen – aber möglicherweise ein mitentscheidendes. Die Rollen der Regisseure im zentralen Mittelfeld seines EM-Teams kann der Bundestrainer nach dem ersten EM-Testlauf noch nicht fix vergeben.
Der Gladbacher Florian Neuhaus warb beim 1:1 gegen Dänemark im Innsbrucker Tivoli-Stadion nicht nur mit seinem Führungstor für sich, der Münchner Joshua Kimmich unterstrich zudem seine Chef-Ansprüche.
Wie schnell Rio-Weltmeister Toni Kroos nach einer Corona-Infektion und Leon Goretzka nach seiner Muskelverletzung wieder auf Topniveau sein werden, steht noch nicht fest. Kroos hat in Tirol gerade erst mit dem Training begonnen, Goretzka wartet noch auf den Einstieg ins Üben mit dem Team. Dazu kommen die Fragezeichen um Ilkay Gündogan, der erst angeschlagen war und dann mit Manchester City das Champions-League-Finale gegen den FC Chelsea verlor.
Dreier-Abwehr fordert Platz
Fest steht schon: Löw muss zum EM-Auftakt am 15. Juni in München gegen Weltmeister Frankreich in der Startelf auf jeden Fall einen seiner Organisatoren opfern – vielleicht sogar mehrere. Im System mit einer Abwehr-Dreierkette hat im zentralen Mittelfeld neben dem gesetzten Kimmich nur noch einer der Stars Platz.
Gegen die Dänen durfte der 24 Jahre alte Neuhaus beweisen, dass der Turnier-Neuling auf hohem Niveau mehr als nur mithalten kann. «Er hat ein gutes Spiel gemacht und sich das Tor auch verdient. Er hat viel Laufarbeit verrichtet, ist mit in die Spitze gegangen und hat Wege nach hinten gemacht. Die Leistung war auf jeden Fall gut», urteilte Löw.
An der Rolle des Gladbachers im 26-köpfigen EM-Kader aber hat dessen couragierter Auftritt erstmal nichts Grundlegendes geändert. Neuhaus muss auf seine Chance als Ersatzkraft hoffen. «Das ist auch das Ziel, dass die Spieler, die hintendran stehen, den Druck immer hochhalten und andere antreiben mit guten Leistungen im Training», formulierte Löw: «Wenn sie dann die Chance bekommen im Laufe des Turniers, ist es die Erwartungshaltung, dass sie der Mannschaft entscheidend helfen können.» Neuhaus wird also auf seinen Turnier-Moment warten müssen.
Neuhaus «sehr guter Fußballer»
Seit seinem Länderspiel-Debüt im Oktober des Vorjahres gegen die Türkei (3:3) hat der torgefährliche Techniker bei Löw stets auf sich aufmerksam gemacht. «Flo ist ein sehr guter Fußballer mit einem guten Auge, mit einer guten Ballbehandlung», bemerkte der Bundestrainer. Im sechsten DFB-Spiel markierte Neuhaus schon seinen zweiten Treffer.
«Es hat mir natürlich Spaß gemacht, auf dem Feld zu stehen», sagte Neuhaus in Innsbruck: «Persönlich war es schön, dass ich ein Tor erzielt habe. Allerdings ist Fußball ein Mannschaftssport, ich hätte das Spiel gerne gewonnen.» Die Feinabstimmung insgesamt sei noch zu verbessern, meinte Neuhaus: «Ich habe auf jeden Fall positive Dinge gesehen, gerade im Offensivspiel sah es schon gut aus.»
Der in Landsberg am Lech geborene und bei 1860 München fußballerisch großgewordene Neuhaus hat mit seinen DFB-Auftritten und natürlich vor allem mit seiner positiven Entwicklung in Mönchengladbach, wo er noch bis 2024 unter Vertrag ist, Begehrlichkeiten bei einigen Spitzenclubs geweckt. Im Trainingslager in Tirol dementierte er Berichte, dass ein Wechsel zum FC Bayern 2022 schon beschlossene Sache sei. Doch Neuhaus weiß auch: Bei einem Verein vom Kaliber der Bayern könnte er auch mit Blick auf die Nationalelf schneller in die Regisseurs-Kategorie eines Kimmich, Kroos, Gündogan und Goretzka vorrücken.