«Nicht Champions-League-reif»: Wolfsburgs ernüchterndes Aus

Kraftausdrücke sind im Fußball selten ein gutes Zeichen.

Was der VfL Wolfsburg nach dem ernüchternden Ausscheiden in der Champions League jetzt tun müsse, um wenigstens in der Fußball-Bundesliga wieder in die Spur zu kommen, wurde der Stürmer Luca Waldschmidt nach dem 1:3 (0:1) gegen den französischen Meister OSC Lille gefragt. «Die Arschbacken zusammenkneifen und Vollgas raus am Samstag gegen Stuttgart», antwortete der siebenmalige deutsche Nationalspieler. Wenn es nur so einfach wäre.

Denn die Wolfsburger haben eine «historische Chance» (Trainer Florian Kohfeldt) im wichtigsten europäischen Vereinswettbewerb bemerkenswert leidenschaftslos aus der Hand gegeben. Ein Sieg gegen Lille hätte zum Weiterkommen gereicht, der letzte Platz in dieser sehr ausgeglichenen, aber auch nicht wirklich hochklassigen Vorrunden-Gruppe G kam am Ende heraus. Weder die Leistung auf dem Platz noch die Atmosphäre in der nur mit 6544 Zuschauern gefüllten Volkswagen Arena wurden der Bedeutung dieses Spiels und der Aura des Wettbewerbs gerecht. «Das war einfach nicht Champions-League-reif», sagte Kohfeldt in einem ZDF-Interview.

Kohfeldt mit Mängelliste

Besonders auffällig ist: Die Mannschaft, die nun Anfang Dezember aus der Champions League flog, hat nicht mehr viel mit der Mannschaft gemein, die den Volkswagen-Club erst Mitte Mai dorthin brachte. Und das obwohl 11 der 16 gegen Lille eingesetzten Spieler bereits in der vergangenen Saison zum Kader gehörten. Aber die Mängel, die Kohfeldt auflistete, entsprechen ziemlich genau den Qualitäten, die den VfL noch bis zum Sommer stark gemacht haben: Es gebe Probleme, «stabil zu verteidigen. Das Spiel gegen den Ball aufzuziehen. Dass wir uns sehr schwer tun, außerhalb von Standard- und Umschaltsituationen Chancen zu kreieren», sagte der Coach.

Kohfeldt muss nun mit großem Aufwand versuchen, den VfL wieder auf das Niveau zurückzuführen, das er im Frühjahr längst hatte. Von der im Sommer propagierten Weiterentwicklung kann schon lange keine Rede mehr sein. Eine Frage ist deshalb, ob es wirklich der Kernfehler war, in Kohfeldts Vorgänger Mark van Bommel im Juli den falschen Trainer geholt zu haben. Oder ob man vorher vielleicht nicht genug dafür tat, mit Oliver Glasner den richtigen Trainer zu halten.

Der Österreicher führte den VfL in die Champions League, verstand sich nicht mehr mit Sport-Geschäftsführer Jörg Schmadte – und ersetzte daraufhin bei Eintracht Frankfurt den nach Mönchengladbach gewechselten Adi Hütter. Wolfsburg war im Sommer Bundesliga-Vierter und ist jetzt Achter, Frankfurt war Fünfter und ist jetzt Zehnter, die Borussia fiel sogar vom enttäuschenden achten auf den noch enttäuschenderen 13. Platz zurück. Gelohnt hat sich diese Trainerrochade bislang für keinen der beteiligten Clubs.

«Schippe drauflegen»

Kohfeldt soll diesen Schaden in Wolfsburg reparieren. Der 39-Jährige startete Ende Oktober mit drei Siegen und sagte nun: «Ich glaube, dass die erste Woche über relativ viel hinweggetäuscht hat.» Es seien «ein paar Dinge da, die etwas Zeit bedürfen. Und es ist weiter meine Aufgabe, positive Energie auszustrahlen und diese Probleme zu lösen.»

Dass auf drei erfolgreiche Jahre eine Phase der Stagnation folgen kann, ist im Fußball nicht neu. Dass sich einzelne Spieler wie Wout Weghorst nach der Entwicklung vom Fast-Absteiger zum Champions-League-Club gut überlegen, welche Karriere-Optionen sie noch haben, genauso. Aber ein Erstrunden-Aus im DFB-Pokal, der Vorrunden-K.o. in einer vergleichsweise schwachen Champions-League-Gruppe und eine durch und durch mittelmäßige Bundesliga-Bilanz: «Das ist nicht unser Anspruch, das ist nicht das, was wir von uns erwarten», sagte Waldschmidt. «Wir könne alle noch eine Schippe drauflegen.»

Von Sebastian Stiekel, dpa