«Nicht zu entschuldigen»: BVB-Coach Rose fehlt Mentalität

Keine Inspiration, zu wenige Typen und ein Mangel an Mentalität: Im Moment des sportlichen Misserfolgs sah sich Borussia Dortmunds Starensemble einmal mehr altbekannten Vorwürfen ausgesetzt.

Selbst Trainer Marco Rose befeuerte nach dem verdienten Pokal-K.o. im Achtelfinale beim Zweitligisten FC St. Pauli die Kritik an seinem Luxuskader, der zu oft nicht da sei, wenn es darauf ankomme. «Es ist einfach schade und ein stückweit doof, dass wir diese Klischees bedienen», sagte der 45-Jährige am Dienstagabend nach der völlig verdienten 1:2 (0:2)-Pleite bei beherzt aufspielenden Kiezkickern. «Das ist nicht zu erklären und vor allem nicht zu entschuldigen.»

Die große Chance, wie im Vorjahr für den bereits ausgeschiedenen, in der Liga aber schon wieder enteilten Rivalen Bayern München in die Bresche zu springen und erneut den DFB-Pokal zu erobern, ist für die Nummer zwei im deutschen Fußball dahin. «Die Endgültigkeit macht es besonders bitter», klagte der maßlos enttäuschte Rose. Auch Kapitän Marco Reus, von dem wie bei vielen seiner Mitspieler zuvor in 93 Minuten im Millerntor-Stadion nicht viel zu sehen war, zeigte sich «on fire» – zumindest verbal. «Es ist bitter, als Top-Favorit auszuscheiden», räumte auch der Nationalspieler ein. «Auf jeden Fall haben wir eine Riesenchance verpasst, den Pokal wieder zu gewinnen.»

«Es fehlen Typen»

Auch Ex-Nationalspieler Bastian Schweinsteiger hielt den gerade mit hängenden Köpfen vom Platz geschlichenen BVB-Assen den Spiegel vor. Dabei hatten sie zuletzt in der Liga gegen Frankfurt (3:2 nach 0:2) und Freiburg (5:1) noch geglänzt. «Der BVB hat heute das Gesicht gezeigt, das es auch gibt. Es fehlen Typen, die die Verbissenheit haben und es unbedingt wollen, wenn es mal schlecht läuft», monierte der ARD-Experte. Der einstige Bayern-Star legte den Finger weiter in die BVB-Wunde. «Auch die Bayern machen mal Fehler, aber dann patzt auch Dortmund und lässt wieder was liegen», kritisierte der Weltmeister von 2014.

Raus im Pokal, aus der Champions- in die Europa League abgestiegen, und in der Liga sechs Punkte hinter Bayern – Reus war entsprechend genervt, als er auf die bitteren Folgen angesprochen wurde. «Sollen wir jetzt aufgeben?», raunzte der BVB-Kapitän die ARD-Reporterin mit funkelnden Augen an. Rose hingegen forderte, sich weiterzuentwickeln als Team und aus Fehlern zu lernen. «Am Ende sind wir raus, das bestätigt ein paar Dinge, die uns in den letzten Monaten, vielleicht Jahren immer wieder vorgehalten werden. Daran müssen wir arbeiten. Wir müssen einfach den nächsten Schritt als Mannschaft gehen.»

Euphorie auf dem Kiez

Eine geradezu sensationelle Entwicklung schon genommen hat dagegen der Kiezclub. Saisonübergreifend ist St. Pauli (75 Punkte aus 40 Spielen) als punktbester Zweitligist 2021 in der Liga von Rang 17 auf eins durchmarschiert und steht im Pokal erstmals seit 2006 wieder im Viertelfinale. Das spült auch 1,004 Millionen Euro zusätzlich in die Vereinskasse. «Ich bin mega-stolz auf die Jungs. Sie haben es super gemacht, genau wie wir es uns vorgenommen haben», jubelte Coach Timo Schultz, der vor 16 Jahren als Kicker beim Halbfinaleinzug dabei war.

Im Gegensatz zum BVB waren die Kiezkicker sofort hellwach. Der Treffer von Etienne Amenyido (4. Minute) und das Eigentor von Axel Witsel (40./Eigentor) fielen zudem zu günstigen Zeitpunkten. Der Ehrentreffer durch den mit untergegangenen Erling Haaland (58./Handelfmeter) war wie die BVB-Leistung zu wenig. Vielsagend ist auch dies: St. Paulis Kicker waren vier Kilometer mehr unterwegs als der Favorit – und stimmten sich mit dem Pokal-Coup auf das am Freitag anstehende Hamburger Stadtderby beim HSV ein. «Die Jungs sollen auch feiern, aber erst einmal geht es mit Volldampf ins Derby», meinte Schulz. Danach, in der punktspielfreien Woche, «werde ich ihnen Gelegenheit genug zum Feiern geben», versprach der Coach.

Von Thomas Prüfer, dpa