Wenn Angelique Kerber nach den Enttäuschungen der vergangenen Wochen die herausgeputzte Wimbledon-Anlage betreten wird, könnte ihr so einiges im Kopf herumspuken.
Da wären die Erstrundenniederlagen in Berlin und Bad Homburg, mit denen ihr die Vorbereitung auf den am Montag beginnenden Rasenklassiker komplett misslang. Da wäre aber auch ihr großer Triumph, der diesen geschichtsträchtigen Ort für sie immer besonders machen wird. 2018 feierte sie in Wimbledon den Titel, als sie gegen Tennisstar Serena Williams gewann. Zwei Jahre zuvor stand sie schon mal im Finale.
«Kein schönes Gefühl»
Zum ersten Mal wird Kerber nun als Mutter in Wimbledon antreten. Erfolgsaussichten wie in der Vergangenheit liegen in weiter Ferne – und dennoch hört sie noch nicht auf. «Natürlich ist es traurig und enttäuschend, dass ich jetzt besonders hier in Bad Homburg in der ersten Runde raus bin», sagte die 36-Jährige, als sie genau eine Woche vor dem Auftakt des Rasenklassikers 5:7, 3:6 gegen das russische Talent Diana Schneider verloren hatte.
«Trotzdem werde ich auch jetzt versuchen, das Positive mitzunehmen und in Richtung Wimbledon zu schauen und da versuchen, alles rauszuholen», sagte Kerber, «aber klar, es ist kein schönes Gefühl, wenn man Zuhause in der ersten Runde verliert.» Offen räumte sie ein, in den entscheidenden Momenten gegen die 16 Jahre jüngere Russin «zu viele einfache Fehler» gemacht zu haben. «Ich habe mich gut gefühlt. Ich habe mich gut vorbereitet, ich habe alles getan, um gut zu spielen», sagte sie. Und dennoch reichte es nicht.
Seit ihrem Comeback rund um den Jahreswechsel, seitdem die Australian-Open- und US-Open-Siegerin von 2016 mit Töchterchen Liana reist, hatte sie sich auf die Rasensaison gefreut. Auf ihrem Lieblingsbelag wollte sie wieder angreifen. Zum Auftakt des kurzen Saisonabschnitts beschwichtigte sie dann zwar, sie wolle sich «keinen Druck» machen. Selbstbewusst sagte sie aber auch: «Ich weiß, dass ich gut spielen kann.» Und: «Rasen ist einfach mein Belag.»
Ziel vor Wimbledon verfehlt
Das Heimpublikum in Berlin und Bad Homburg, wo sie auch Turnierbotschafterin ist, sollte ihr einen zusätzlichen Schub geben. Doch nun wird sie ohne ein Erfolgserlebnis auf dem grünen Untergrund in ihr Erstrundenmatch in Wimbledon gehen. Ihr Ziel, so viele Matches auf Rasen wie möglich zu bekommen, hat sie klar verpasst. In Berlin hatte Kerber zum Auftakt in drei Sätzen gegen Linda Noskova (19) das Nachsehen gehabt – wie die Russin Schneider (20) stammt auch die Tschechin aus einer anderen Generation.
Die frühere Damenchefin im deutschen Tennis, Barbara Rittner, hält Kerber dennoch für eine unangenehme Gegnerin und traut ihr einiges zu. «Keiner will in Wimbledon gegen Angie spielen», sagte die Berliner Turnierdirektorin: «Sie hat sich zuletzt in einem hervorragenden Zustand präsentiert. Sowohl was ihr Spiel als auch ihren Fitnesszustand betrifft. Sie kennt Wimbledon, sie liebt den Belag und natürlich braucht sie das Quäntchen Glück bei der Auslosung.»
Viele Niederlagen nach Babypause
In Wimbledon war Kerber 2021 mit dem Halbfinaleinzug ihr bestes Grand-Slam-Resultat seit ihrem dritten Grand-Slam-Titel 2018 gelungen. In diesem Jahr hat sie weder bei den Australian Open noch bei den French Open eine Grand-Slam-Runde überstanden. Sollte sie auch in Wimbledon zum Auftakt ausscheiden, wird Liana ihr helfen, die Niederlage zu verdauen. «Dieses Gefühl, wenn man verloren hat, dauert nicht mehr so lange», erzählte die junge Mutter: «Tennis ist auf Platz zwei gerückt. Jemand anderes ist auf Platz eins».