Nach ihrem nächsten Überraschungscoup bei den US Open befürchtete Jule Niemeier eine kurze Nacht mit viel Kopfkino und ganz wenig Schlaf.
«Ich mache mir immer nochmal Gedanken über das Match und gehe Situationen durch», sagte die Tennisspielerin nach ihrem Achtelfinaleinzug beim Grand-Slam-Turnier in New York und ergänzte seufzend: «Ich hoffe, dass ich vor drei Uhr einschlafen kann.»
Das Gute ist: Die 23-Jährige dürfte mit einem Lächeln eingeschlafen sein. Ihr 6:4, 7:6 (7:5)-Sieg in der dritten Runde gegen die favorisierte Chinesin Zheng Qinwen sei «eine taktische Meisterleistung» gewesen, sagte ihr Trainer Christopher Kas der Deutschen Presse-Agentur.
Viel Selbstvertrauen gewonnen
Auch Niemeier war nach dem «extrem schwierigen Match» vollauf zufrieden. «Dass ich das ohne Satzverlust gewinnen konnte, ist etwas sehr Positives. Daraus sollte ich sehr viel Selbstvertrauen mitnehmen», sagte die Wimbledon-Viertelfinalistin: «Jetzt geht es gegen eine große Spielerin, da freue ich mich drauf.»
In der Runde der besten 16 wartet am Montag gegen 20.00 Uhr (MESZ/Eurosport) die Weltranglisten-Erste Iga Swiatek. «Das ist extrem cool», sagte Niemeier bei Eurosport. Swiatek erwartet einen «großartigen Kampf» – ohne jedoch genau zu wissen, was da auf sie zukommt. «Ich weiß ehrlich gesagt nicht viel von ihr», gab die Polin zu. Außer, dass Niemeier «einen sehr guten Aufschlag» habe und «wirklich talentiert und jung» sei.
Niemeier ist als Weltranglisten-108. die – zumindest auf dem Papier – mit Abstand größte Außenseiterin im Achtelfinale. Seit 2017 waren vor ihr nur sechs andere Spielerinnen außerhalb der Top-100 bei den US Open so weit gekommen. Jetzt geht es für den Youngster im Louis Armstrong Stadium um ihren zweiten Einzug in ein Grand-Slam-Viertelfinale beim dritten Start.
Letzte Deutsche
Bundestrainerin Barbara Rittner traut ihr die nächste Überraschung zu. «Sie hat überhaupt keine Angst, ihre Art und Weise begeistert mich», schwärmte Rittner: «Sie ist wirklich eine für die großen Plätze, für die große Bühne.» Das hatte die einzig verbliebene deutsche Turnier-Hoffnung schon vor ein paar Tagen angedeutet: «Es macht mir extrem Spaß, auf der großen Bühne und gegen große Namen zu spielen. Das schüchtert mich nicht ein.»
Genau diese Einstellung zeigte sie auch gegen die in der Weltrangliste um 69 Ränge besser platzierte Zheng. «Sie ist variabel geblieben, ihre Schlagauswahl war super, sie hat sich gut bewegt und war mental im Tie Break sehr stabil», lobte ihr Trainer Kas, der diese Qualitäten auch für das Match gegen Swiatek fordert: «Jule hat ihre Stärken, die werden wir versuchen einzusetzen. Dann ist sie für jede Spielerin sehr unangenehm.»
Fest steht schon jetzt: Bei den Frauen kommt ein neuer Name in die Siegerinnenliste der US Open. Warum nicht der von Jule Niemeier, die hier noch ohne Satzverlust ist? «Ich mache mir noch keine großen Gedanken über einen Grand-Slam-Sieg», hatte die dynamische und aufschlagstarke Rechtshänderin vor ein paar Tagen gesagt. Sie wolle «jedes Match genießen, alles aufsaugen und mitnehmen».
Williams mit Tränen
Während Niemeier erst am Anfang ihrer Profikarriere steht, erlebte Tennis-Queen Serena Williams bei den US Open einen emotionalen und tränenreichen Abschied. Nach ihrem Drittrunden-Aus gegen die Australierin Ajla Tomljanović ließ sich die 23-malige Grand-Slam-Turniersiegerin zwar ein kleines Hintertürchen für eine Rückkehr offen («Man weiß nie»), doch ihre Aussagen und Danksagungen hatten «Goodbye»-Charakter.
«Ich fühle, dass ich dem Tennis wirklich etwas gegeben habe», sagte die 40 Jahre alte US-Amerikanerin: «Der andere Look, die Siegerfaust, die verrückte Intensität.» Sie sei «so dankbar, dass ich diese Momente hatte, dass ich Serena bin».