Johannes Voigtmann sah aus wie ein angeschlagener Boxer. Das linke Auge rot unterlaufen, Kratzspuren im Gesicht – der Center war gezeichnet vom Nervenspiel gegen Russland. Doch für die Qualifikation zu den Olympischen Spielen nimmt der Center von ZSKA Moskau auch das in Kauf.
So wie er und das gesamte deutsche Team in den vergangenen so komplizierten Wochen bislang allen Widrigkeiten getrotzt haben. «Was wir diesen Sommer alles überlebt haben, das passiert anderen Nationen nicht in zehn Jahren», sagte Voigtmann mit Blick auf die turbulente Vorbereitung mit den vielen Diskussionen um die umstrittene Nominierung von Joshiko Saibou, die öffentlich gewordene Suche nach einem neuen Bundestrainer, die Last-Minute-Absage von Dennis Schröder und das Fehlen vieler weiterer Topspieler wie Daniel Theis, Maximilian Kleber oder Paul Zipser.
«Wir haben die ganze Zeit zusammengehalten», lobte Voigtmann, machte aber sofort deutlich, dass mit dem Halbfinal-Einzug noch nichts erreicht ist. «Kommen wir mit dem Halbfinale zu Olympia? Nein. Am Ende interessiert es niemanden, ob wir heute ausgeschieden wären, ob wir im Halbfinale ausscheiden oder ob wir im Finale verlieren», sagte der 28-Jährige nach dem 69:67 gegen Russland. «Es geht einfach nur darum, das Ding zu gewinnen.»
Nun gegen Kroatien
Der nächste Gegner auf dem Weg zum großen Olympia-Traum ist an diesem Samstag (16.00 Uhr/Magentasport) Kroatien. Die Gastgeber waren als großer Favorit ins Turnier gestartet, wussten bislang aber nicht zu überzeugen und wären fast am klaren Außenseiter Tunesien gescheitert. Auch deshalb gehen die deutschen Basketballer selbstbewusst in die Partie. «Die Reise ist noch nicht zu Ende», sagte Kapitän Robin Benzing im Teamhotel Amphora mit Blick aufs Meer.
Auch Benzing hob den großen Charakter des deutschen Teams heraus. «Wir spielen gerade nicht den schönsten Basketball, aber wir kämpfen füreinander», sagte der Spanien-Legionär. «So muss es immer bei der Nationalmannschaft sein, dass man zusammenhält, für einander da ist und immer alles gibt», sagte Benzing, der für das große Ziel Olympia auch die Enttäuschung über seinen Kurzeinsatz in der ersten Partie gegen Mexiko runterschluckte. «Natürlich will ich immer spielen, aber wir sind im Halbfinale, das ist alles, was zählt», sagte Benzing vor dem Duell mit Kroatien.
Bonga-Einsatz offen
Ob im Kampf um den Finaleinzug auch NBA-Profi Isaac Bonga helfen kann, ist noch unklar. Der 21 Jahre alte Guard laboriert nach wie vor an einer schmerzhaften Oberschenkelprellung, die ihn schon gegen Russland außer Gefecht gesetzt hatte. «Unsere Physiotherapeuten tun alles, um ihn rechtzeitig fit zu bekommen. Das kann klappen, es kann aber auch nicht gelingen», hieß es am Freitag vom Deutschen Basketball Bund. Doch egal wer spielt, für Benzing geht es nur um eins: «Wir dürfen ihnen keine Luft zum Atmen lassen. Wir müssen gewinnen, egal wie.»
Schließlich sichert sich nur der Sieger des Turniers in der Spaladium Arena das Ticket nach Tokio. Letztmals waren die Basketballer 2008 in Peking mit Superstar und Fahnenträger Dirk Nowitzki bei Olympia dabei. «Olympia wäre riesig. Das ist etwas, was man gerne im Steckbrief hätte», sagte der von Alba Berlin zu Zalgiris Kaunas nach Litauen wechselnde Niels Giffey. Für die Ergänzung der Visitenkarten brauchen die deutschen Basketballer aber noch zwei Siege. Im Finale würde es gegen Brasilien oder Mexiko gehen.