Unweit des traumhaften Wollongong City Beach saß Tobias Foss im Zielbereich und wusste gar nicht, wie ihm geschah. Egal ob Jahrhunderttalent Remco Evenepoel, Ex-Tour-Dominator Tadej Pogacar oder Weltmeister Filippo Ganna – die Stars der Szene wurden im Einzelzeitfahren bei der Straßenrad-WM in Down Under allesamt von dem recht unbekannten Norweger düpiert.
«Das fühlt sich wie ein Traum an»
Der 25-Jährige sorgte mit seinem Parforceritt im australischen Frühling für die wohl größte Sensation seit dem Zeitfahr-Titel von Bert Grabsch 2008. «Das fühlt sich wie ein Traum an. Ich kann es nicht glauben, es ist so unwirklich. Das muss ich erst einmal realisieren. Mit einer Top-Ten-Platzierung wäre ich schon zufrieden gewesen», sagte Foss, der für den 34,2 Kilometer langen Parcours 40:02 Minuten benötigte. Damit war er 2,95 Sekunden schneller als der ewige Zweite Stefan Küng aus der Schweiz. Den dritten Platz belegte der belgische Vuelta-Champion Evenepoel mit einem Rückstand von neun Sekunden.
Ex-Tourchampion Pogacar (Slowenien) und der favorisierte Titelverteidiger Filippo Ganna (Italien) landeten nur auf den Plätzen sechs und sieben. Die beiden deutschen Starter Nikias Arndt und Miguel Heidemann spielten als 16. und 20. ebenso keine Rolle. «Die Strecke war schneller als erwartet. Ich habe meinen Rhythmus gut gefunden, aber ich war leider zwei, drei Prozent hinter dem, wo ich gerne gewesen wäre», sagte Arndt der Deutschen Presse-Agentur. Heidemann meinte: «Ich bin super zufrieden. Es ist meine erste WM bei der Elite.»
Ricarda Bauernfeind holte Bronze in der U23-Klasse
Trotzdem durfte sich das mit wenigen Ambitionen angereiste deutsche Team über einen gelungenen Auftakt freuen. Ricarda Bauernfeind gewann Bronze in der U23-Klasse hinter der italienischen Siegerin Vittoria Guazzini und der Niederländerin Shirin van Anrooij. «Für mich ist das etwas ganz Neues, bei einer Weltmeisterschaft auf dem Podium zu stehen. Ich habe nicht wirklich damit gerechnet, eine Medaille zu gewinnen. Top 5 wäre schon schön gewesen», sagte Bauernfeind, die als erste Starterin auf den Parcours gegangen war und damit die WM quasi eröffnet hatte.
Bei der WM in Australien wurden erstmals Medaillen in der U23-Klasse vergeben. Die Fahrerinnen starteten im Rahmen des Frauen-Zeitfahrens, das die Niederländerin Ellen van Dijk in 44:28 Minuten gewann. Für die 35-Jährige war es der dritte Titel nach 2013 und 2021. Die Plätze zwei und drei belegten die Australierin Grace Brown und die Europameisterin Marlen Reusser aus der Schweiz.
Foss: «Meine Beine waren richtig gut»
Für das Highlight des Tages sorgte aber Foss, den kein Experte auf der Rechnung hatte. Der 25-Jährige aus dem Jumbo-Visma-Team von Tour-Champion Jonas Vingegaard hat bis auf drei Titel bei den norwegischen Meisterschaften international noch kein Rennen gewonnen. Bei der Tour de France stand er gar nicht im Aufgebot und beim Giro d’Italia hatte er den 54. Rang belegt.
«Meine Beine waren richtig gut. Der Kurs war anspruchsvoll. Es war das perfekte Rennen für mich», sagte Foss, der damit Ganna entthronte. Der Italiener hatte 2020 und 2021 den Titel geholt und wollte eigentlich den nächsten Schritt zum Rekord von Tony Martin und Fabian Cancellara (beide vier Titel) machen.