Olympia im Blick: DHB-Frauen suchen den «Reset»-Knopf

Gezeichnet von einer «nicht so tollen Nacht» richtete Markus Gaugisch einen flammenden Appell an die tief enttäuschten deutschen Handballerinnen.

«Wir dürfen jetzt nicht in Trauer verfallen oder in Selbstmitleid versinken, sondern müssen wieder in den Kampfmodus schalten», forderte der Bundestrainer am Tag nach der 20:27-Klatsche gegen Schweden im WM-Viertelfinale. 

Auch wenn es sich für den Großteil der Spielerinnen nach dem verpassten Einzug ins Halbfinale so angefühlt haben dürfte – das Turnier in Skandinavien ist für die DHB-Auswahl nicht vorbei. Von Platz fünf bis Platz acht ist noch alles möglich. Zwei Siege zum Abschluss wären nicht nur für die Stimmung hilfreich, sondern auch, um sich beim Olympia-Qualifikationsturnier im Frühjahr 2024 in eine vermeintlich leichtere Gruppe zu spielen. «Ich glaube, dass wir eine Mannschaft haben, die uns mit Mut in die nächsten Tage blicken lässt», befand Sportvorstand Axel Kromer.  

Die Tendenz stimmt

Das Spiel gegen Tschechien am Freitag (11.30 Uhr/Sportdeutschland.tv) nur mit Halbgas anzugehen, kann sich das DHB-Team also nicht leisten. «Wir wollen wieder Ergebnisse, um Mentalität aufzubauen», forderte Kromer und attestierte den Spielerinnen eine positive Entwicklung. «Mit der Tendenz des Teams sind wir zufrieden. Wir werden uns jetzt auch die Tendenz nicht zerreden lassen», sagte der 46-Jährige. 

Gaugisch stellte der Mannschaft ebenfalls ein gutes Turnier-Zeugnis aus, auch wenn es erneut nicht für den erhofften Sprung unter die Top-Vier gereicht hat. «Das Spiel gegen Schweden sollte uns nicht von unserem Weg abbringen», sagte der 49-Jährige am Donnerstag und gab die Marschroute aus: «Verarbeiten, abhaken, nach vorn schauen.»  

Das tat als Erste Alina Grijseels, die schon kurz nach dem Abpfiff ihren Optimismus wiederfand. Als ihre Teamkolleginnen am Mittwochabend in der Interviewzone vor Enttäuschung weinten und vergeblich nach Erklärungsversuchen für den ernüchternden Auftritt im WM-Viertelfinale suchten, richtete die Co-Kapitänin ihren Fokus bereits auf die Platzierungsrunde. «Wir haben noch zwei Spiele. Jetzt gilt es, Platz fünf zu holen. Wir wollen gegen gute Gegner besser spielen und dieses Gefühl mitnehmen in die Olympia-Quali», appellierte Grijseels an ihre Mitspielerinnen. 

Lücke zu Top-Vier-Nationen

Dass die Auftritte der deutschen Handballerinnen bei Großturnieren ein Muster haben, blieb den Verantwortlichen jedoch nicht verborgen. Souveräne Auftritte in der Vor- und Hauptrunde lassen Spielerinnen, Trainer und Fans vom großen Coup träumen. Der Leistungsabfall folgt immer dann, wenn es darauf ankommt: in der K.o.-Phase. Dreimal Siebter und einmal Achter sind die Ergebnisse der vergangenen Europa- und Weltmeisterschaften. 

Seit 2007, als es Bronze gab, warten die Handballerinnen auf eine Medaille. «Es ist schade, dass wir uns den Traum vom Halbfinale nicht erfüllen konnten. Wir hoffen, dass wir irgendwann den Bock umstoßen können», sagte Gaugisch. Platz fünf in Skandinavien wäre zumindest auf dem Papier eine Annäherung an die Top-Nationen Frankreich, Norwegen, Dänemark und Schweden. «Jeder muss sich hinterfragen, warum sie nicht an ihre Leistungsgrenze gekommen ist», forderte Grijeseels und räumte ein: «Wir haben gesehen, dass wir noch nicht zu den Top-Vier-Nationen gehören.» 

Die gesamte Gefühlspalette

Frust, Leere, Enttäuschung, Ratlosigkeit. Die Emotionen der deutschen Handballerinnen deckten noch lange nach dem Spiel die gesamte negative Gefühlspalette ab. «Alle waren sehr ruhig und in sich gekehrt», berichtete Gaugisch. Eine Erklärung für das Debakel hatte auch er nicht parat. «Es ist schwer zu beschreiben, was da passiert es, weil es auch keine Anzeichen dafür gab», räumte der Bundestrainer ein. 

Nur ein Tag blieb dem DHB-Kader, um sich zu sammeln und den phasenweise desolaten Auftritt gegen die Skandinavierinnen ansatzweise zu verarbeiten. Um sich gegenseitig aufzumuntern und mit neuer Energie in das Platzierungsspiel gegen Tschechien zu starten. «Ab morgen wird auf Reset gedrückt», kündigte Co-Kapitänin Emily Bölk an. 

Von Jordan Raza und Eric Dobias, dpa