Rekord-Olympiasieger Michael Phelps freute sich schon beim Flug nach Tokio auf ein völlig neues Erlebnis bei den Sommerspielen.
Der 23-malige Olympiasieger startete «aufgeregt» in seine Funktion als TV-Experte für die an diesem Wochenende beginnenden Schwimmrennen. Wie zuletzt 1996 finden die Spiele wieder ohne den Jahrhundert-Athleten im Wasser statt, auch sein langjähriger Rivale Ryan Lochte fehlt als Hingucker in Tokio.
Generationen geprägt – jetzt kommen neue Stars
«Es kommen immer neue Stars nach. Das wird nach Phelps und Lochte nicht anders sein als nach Pieter van den Hoogenband oder Alexander Popow. Es gab in der Vergangenheit immer neue Sportler, die Olympia geprägt haben – manchmal waren es auch überraschende Sieger», sagte der dreimalige deutsche Goldmedaillengewinner Michael Groß der Deutschen Presse-Agentur. «Es wird neue Stars geben. So war es immer», betonte auch die letzte deutsche Schwimm-Olympiasiegerin, Britta Steffen.
Die 37-Jährige ist vor allem von der italienischen Schwimm-Diva Federica Pellegrini beeindruckt. «Seit 14 Jahren dabei, fast 33 und immer noch weltklasse. Stark!», sagte Steffen. Aus der jungen Garde ließ der erst 16-jährige Rumäne David Popovici bei der Junioren-EM Anfang Juli mit seiner Weltjahresbestzeit über 100 Meter Freistil aufhorchen.
«Ich bin gespannt, ob er in Tokio an die Ergebnisse herankommt», sagte Paul Biedermann, der bei der WM 2009 Phelps besiegte. Seine zwölf Jahre alten Weltrekorde über 200 und 400 Meter Freistil haben immer noch Bestand. «Phelps und Lochte haben eine Generation von Schwimmern geprägt und darüber hinaus viel für den Schwimmsport getan. Jetzt besteht die Möglichkeit für andere, sich in diese Position zu schwimmen und etwas neues einzuläuten», sagte Biedermann.
Phelps (36) konnte sich schon lange auf die selbst gewählte Zuschauerrolle einstellen. Lochte (36) musste sich erst in diese fügen. Nachdem er seine fünfte Sommerspiel-Teilnahme verpasst hatte, flossen Tränen.
In Tokio hatte der sechsmalige Olympiasieger mit sportlichen Schlagzeilen von der ganz großen Bühne abtreten wollen, denn sein Ruf hat seit Rio arg gelitten. Da war zuerst der erfundene Raubüberfall in Brasilien, für den er zehn Monate gesperrt wurde. Danach postete er in einem Sozialen Netzwerk das Bild einer Vitamin-Infusion. Eine verbotene Substanz wurde nicht nachgewiesen, 14 Monate Zwangspause folgten trotzdem.
Dressel und Ledecky sind der Maßstab
Anwärter Nummer 1 auf die Heldenrolle im Stars-and-stripes-Team ist der 13-malige Weltmeister Caeleb Dressel, der nach zwei Staffel-Olympiasiegen auch in Einzelrennen triumphieren möchte. «Dass uns ein absoluter Superstar fehlen würde, sehe ich persönlich nicht so», sagte der deutsche Hoffnungsträger Florian Wellbrock vor allem mit Blick auf den Amerikaner. «Wir haben aus Amerika Caeleb Dressel oder aus Großbritannien Adam Peaty. Caeleb Dressel holt jetzt vielleicht keine acht Goldmedaillen wie Phelps das getan hat, sondern in Anführungszeichen vielleicht nur sechs.»
Bei den Frauen ist Dressels Teamkollegin Katie Ledecky international der Maßstab. Durch die neu ins Programm aufgenommenen 1500 Meter Freistil hat sie sogar die Chance, ihre Ausbeute von viermal Gold von Rio zu toppen. «Stars und Sternchen sind auf jeden Fall vertreten», sagte Wellbrock.
Abseits des US-Teams könnten die Schwedin Sarah Sjöström, die nach einem Ellbogenbruch pausieren musste, Ungarns «Iron Lady» Katinka Hosszu oder eben Brustschwimm-Experte Peaty für Glanzlichter sorgen. Auch die Rolle für den umstrittensten Schwimmer ist neu ausgeschrieben. Zwar verkürzte der Internationale Sportgerichtshof Cas die Dopingsperre für Chinas Star Sun Yang von acht auf etwas mehr als vier Jahre, aber in Tokio kann der dreimalige Olympiasieger nicht starten.