Optimismus «Made in USA»: Nagelsmann gibt EM-Versprechen

Große Erleichterung, großer Optimismus und ein riesiges Versprechen Richtung Heim-EM: Für Julian Nagelsmann ist die Fußball-Nationalmannschaft nach seinem Crashkurs in Amerika in einem Punkt sogar schon wieder Weltklasse.

«Ich habe noch keine Mannschaft trainiert, die innerhalb von einer Woche so viele Dinge umsetzt. Ich war schwer begeistert. Deswegen mache ich mir absolut keine Sorgen», lobte der neue Bundestrainer seine Premieren-Crew kurz vor dem Heimflug nach Deutschland.

Euphorischer Nagelsmann 

Im Ton sachlich, aber in der Wortwahl fast schon euphorisch zeichnete der 36-Jährige nach dem leidenschaftlich erkämpften 2:2 (1:1) gegen Mexiko ein rundum positives Bild der sportlich geglückten und atmosphärisch enorm wichtigen US-Tournee. Kurz gesagt: Die deutschen Fans können sich wieder auf die Heim-EM freuen. Der Dauer-Pessimismus unter Vorgänger Hansi Flick ist weg. «Ich bin zu 100 Prozent überzeugt, dass wir erfolgreich sein werden», versicherte Nagelsmann acht Monate vor dem Eröffnungsspiel in München.

Am liebsten würde der Bundestrainer gleich nach der Rückkehr nach Deutschland am Donnerstag mit seinem neuen Team weiterarbeiten. Ganz ohne Aufgaben hat Nagelsmann den Premieren-Kader um Anführer İlkay Gündoğan und Torgarant Niclas Füllkrug aber auch nicht zu den Clubs entlassen. Videoszenen werde er herausschneiden und den Spielern zeigen, wenn sie abends mal Zeit haben. Leider könne er das aber nicht «in der Frequenz» tun, wie bei der hoch dosierten Premiere in den USA, die von ihrer Intensität auch Beobachter wie DFB-Chef Bernd Neuendorf erstaunte wie begeisterte. 

Lob von allen Seiten

Die Spieler hängen an Nagelsmanns Lippen, hörte man aus dem engsten DFB-Zirkel noch in Philadelphia. «Dieser Lehrgang war ganz gut für das ganze Team, und den nächsten Step gehen wir dann im November», sagte Jungstar Jamal Musiala. «Wir machen da weiter, wo wir in diesen zehn Tagen begonnen haben», betonte Routinier Thomas Müller, obwohl er selbst auf dem Platz wenig Fortune hatte. Alle freuen sich, bei der Nationalmannschaft zu sein. 

Für Sportdirektor Rudi Völler hat auch der «Glücksfall» Nagelsmann eine steile Lernkurve hingelegt. «Er weiß jetzt, was es heißt, Bundestrainer zu sein nach diesen beiden Spielen», sagte der einstige Teamchef. Von den von Völler erwähnten «Wochen zum Durchatmen» bis zu den nächsten EM-Härtetests gegen die Türkei am 18. November in Berlin und in Wien gegen Österreich drei Tage darauf will Nagelsmann aber garantiert nichts wissen. Man solle «schon in der Lage sein, die Spiele im November zu gewinnen», sagte er. 

Und Arbeit gibt es natürlich noch genug. Besonders in der Defensive. «Wir haben Dinge okay gemacht, wir haben Dinge nicht so gut gemacht», sagte Nagelsmann speziell zur Baustelle Abwehrarbeit. «Defensive Stabilität werden wir im Sommer brauchen, wenn wir ein Turnier spielen. Das müssen wir trainieren», sagte der neue DFB-Chefcoach, der individuelle und kollektive Defizite vermerkte. Sowohl beim 3:1 gegen die USA als auch gegen Mexiko musste sein Team einen Rückstand wettmachen. 

Einfache Mathematik

In Mathematik sei er nie gut gewesen, erzählte Nagelsmann noch im Lincoln Financial Field von Philadelphia. Sein Motto sei es allerdings, zu trainieren, dem Gegner nur fünf statt zehn Torchancen zu gestatten, statt zu trainieren, zehn Chancen zu verteidigen. «Dann steigt die Wahrscheinlichkeit, weniger Tore zu kassieren, das ist so», machte er seine Gleichung auf. Das will er speziell Verteidiger Niklas Süle erklären, den er trotz schwerer Zeiten in Dortmund als Fixpunkt in der Nationalmannschaft erhalten möchte. 

«Man muss ihn wieder in den Rhythmus bringen. Und wenn es im Club nicht ist, und wir ihn aber in der Nationalmannschaft sehen, dann muss ich das eben machen», sagte Nagelsmann. Der neue Bundestrainer packt eben alles an. Als rechter Außenverteidiger hatte Süle sichtbare Schwierigkeiten, wie auch Jonathan Tah, der sich ebenfalls im Zentrum wohler fühlt. Als «Problemzone» wollte Nagelsmann die Position aber nicht beschreiben. Kein Wort fiel bislang zur Option, dass der früh, weil erkrankt, aus Amerika abgereiste Joshua Kimmich künftig in die Viererkette zurückgezogen wird. 

Suche nach den idealen «Pärchen»

«Am Ende müssen wir Pärchen finden, die zusammenpassen», sagte Nagelsmann. Und hatte dabei gleich drei frisch gebildete Doppel im Sinn. Gündogan und Pascal Groß auf den Sechserpositionen, davor Musiala und Florian Wirtz als Kreative. Das ist das Herzstück der neuen Hoffnung. Ganz vorne hat der Bundestrainer in Füllkrug und Leroy Sané auch ein perfektes Performer-Paar gebildet. Füllkrug steht nun bei neun Toren in elf Länderspielen.

Das größte Plus hat Nagelsmann im Zwischenmenschlichen notiert. Nach dem Abendessen hätten die Spieler noch zusammengesessen, debattiert, gelacht. Das gefiel ihm. «Weil es einfach wichtig ist, um eine Stimmung zu erzeugen, die wir als Mannschaft wollen. Damit meine ich nicht außen herum, sondern, dass jeder in die Kabine kommt und sagt, „das macht Spaß zu spielen, mit der Truppe will ich gewinnen“», sagte der DFB-Chefcoach. Dass der Stimmungsaufschwung nur was zählt, wenn auch die EM gelingt, weiß Nagelsmann natürlich auch: «Am Ende ist es wichtig, dass wir die Peak-Leistung beim Turnier haben.»

Von Arne Richter und Klaus Bergmann, dpa