Oscar-würdige Posse: Alpine-Team zofft sich mit Toptalent

Fernando Alonso dürfte sich auf seiner Bootstour vor Griechenlands Inseln über die Blamage von Formel-1-Rennstall Alpine im Vertragszoff mit Oscar Piastri amüsiert haben.

Dabei war der streitlustige zweimalige Weltmeister zuletzt gar nicht im Ionischen Meer oder in der Ägäis unterwegs, sondern in seiner Heimat Spanien. Das untermauerte der künftige Nachfolger von Sebastian Vettel bei Aston Martin in den Sozialen Netzwerken selbst.

Warum das wichtig ist? Weil sich Alonsos französisches Werksteam Alpine dem Anschein nach mit Fakten nicht leicht tut und damit die Sommerpause der Motorsport-Königsklasse mit einer Oscar-würdigen Farce eingeleitet hat. In der Hauptrolle: ein junger Australier.

Erster Akt: Auf einmal unterschreibt Alonso woanders

Der Eröffnungsknall gehört Alonso. Erst am 1. August verkündete Aston Martin den mittlerweile 41-Jährigen als Nachfolger von Vettel ab kommender Saison. Dabei war sein aktuelles Alpine-Team noch davon ausgegangen, mit dem Spanier auch nächstes Jahr zusammenzuarbeiten. «Ich war zuversichtlich, dass wir trotz der Gespräche, es ist nichts Falsch daran zu sondieren, sehr nah an einer Einigung sind», meinte am Dienstagmorgen Alpine-Teamchef Otmar Szafnauer rückblickend.

Alonso habe ihm auch versichert, «noch nichts unterschrieben» zu haben. Dann sei sein Star-Pilot, der 2005 und 2006 Michael Schumacher im WM-Kampf geschlagen hatte, angeblich in Richtung griechischer Inseln geschippert. Auf einmal wurde dann Alonso als Vettel-Nachfolger bekanntgegeben. Der 32-malige Grand-Prix-Sieger habe einen Vertrag über ein Jahr plus ein Jahr Option ausgeschlagen, um eine längerfristige Zusage zu bekommen, erläuterte Szafnauer den Knackpunkt. Aston Martin bekam den Zuschlag.

Zweiter Akt: Alpine schafft Fakten

Plan A bei Alpine bestand darin, den auslaufenden Vertrag mit Alonso zu verlängern und Ersatzfahrer Oscar Piastri angeblich ein Lehrjahr bei Williams bestreiten zu lassen. Da sich Plan A zerschlug, mussten die Franzosen nun handeln. Noch am 2. August erklärte Alpine-Teamchef Szafnauer, dass Piastri, nacheinander Champion in der Formel 3 und Formel 2, der Wunschkandidat für die Alonso-Nachfolge sei. Man habe ja auch Vertragsoptionen für 2023 und 2024 auf den 21-Jährigen.

Allerdings gebe es noch nichts zu verkünden, denn Piastri und sein Lager würden noch Optionen abwägen, «was auch immer das bedeutet», wie Szafnauer anmerkte. Der junge Australier und sein Manager Mark Webber, früher Red-Bull-Teamkollege von Vettel, stehen schon länger mit McLaren in Kontakt.

Dann schien doch alles geklärt zu sein: Piastri werde befördert und ab 2023 an der Seite des Franzosen Esteban Ocon fahren. Unüblich war jedoch, dass in der Mitteilung Aussagen des künftigen Piloten fehlten.

Dritter Akt: Die überraschende Wendung

Piastris Manager Webber dürfte von der Mitteilung überrascht gewesen sein. Der 45-Jährige hielt sich Szafnauer zufolge in Australien auf und wird wegen der Zeitverschiebung erstmal nichts mitbekommen haben. Der Alpine-Teamchef hat Webber aber vorab wenigstens ein paar SMS und Mails geschickt. Das Resultat? Noch am 2. August sorgte Piastri selbst für die überraschende Wendung. «Ich habe keinen Vertrag mit Alpine für 2023 unterschrieben. Ich werde nächstes Jahr nicht für Alpine fahren», schrieb Piastri. Die Mitteilung des Rennstalls sei falsch und mit ihm nicht abgesprochen gewesen. Wollte Alpine tatsächlich Fakten schaffen, ohne sich bei dem Youngster rückzuversichern? Oder haben Piastri und sein Manager etwas nicht richtig verstanden?

Vierter Akt: Und nun?

Alpine sieht sich im Recht. «Wir glauben, dass unsere Mitteilung rechtlich korrekt ist, mehr haben wir dazu aber nicht zu sagen», hieß es von Seiten des Rennstalls. Piastri sieht das anders. Noch ohne ein einziges Formel-1-Rennen absolviert zu haben, schon so einen Streit auszufechten, ist aber eine ordentliche Hypothek. Wie klar ist die Vertragslage? Eine Einigung, dass Piastri 2023 für Alpine fährt, ist aktuell zumindest kompliziert.

Dafür könnte sich Alpine mit einem Rivalen einigen. Sollte es sich tatsächlich um McLaren handeln, das mit dem Australier Daniel Ricciardo unzufrieden ist, wäre eine Kompensationszahlung denkbar. Eine Rückkehr von Ricciardo, der schon 2019 und 2020 für Alpines Vorgängerteam Renault gefahren war, wäre damit denkbar. Oder der Fall Alpine/Piastri landet vor der Vertragskammer des Weltverbandes Fia. Alonso dürfte auch dieses Szenario mit großem Interesse verfolgen.

Von Martin Moravec und Christian Hollmann, dpa