Pelé stirbt – aber der «König» bleibt unvergessen

Sein Lachen hat der «König» nie verloren. Dieses charakteristische breite Grinsen, mit dem altehrwürdigen Jules-Rimet-Pokal der Weltmeister in beiden Händen, mit alten Freunden, mit der Familie im Arm. Pelé, dieser unglaubliche Spieler, der den Fußball wie kaum ein anderer geprägt hat, lächelte. Und mit ihm die ganze Welt.

«Der größte Fußballer aller Zeiten», urteilte einst Franz Beckenbauer, und das stellvertretend für Millionen Menschen. Am Donnerstag ist der «Rei do Futebol» im Alter von 82 Jahren gestorben.

Seine letzten Tage hatte der Brasilianer im Kreis seiner Familie im Hospital Israelita Albert Einstein in São Paulo verbracht. Der Weltmeister von 1958, 1962 und 1970 war schwer an Krebs erkrankt. Am Tag vor Heiligabend veröffentlichte seine Tochter, Kely Cristina Nascimento, ein Foto mit ihrem Vater im Krankenbett, beide halten sich in den Armen. «Wir machen hier weiter, im Kampf und im Glauben. Noch eine Nacht zusammen», schrieb sie – es klang schon nach Abschied. Am Donnerstag schrieb sie: «Alles, was wir sind, verdanken wir dir. Wir lieben dich unendlich, ruhe in Frieden.»

Pelé zum «Spieler des 20. Jahrhunderts» gekürt

Pelé, der mit vollen Namen Edson Arantes do Nascimento hieß, war schon zu Lebzeiten eine Legende. Der Weltverband FIFA hatte ihn – ebenso wie Diego Maradona – zum «Spieler des 20. Jahrhunderts» gekürt. Es ist ein sehr kleiner Kreis der Besten, der Bedeutendsten dieses Sports, dem neben dem «König» und Maradona nur noch sehr wenige angehören. Die Namen von Beckenbauer, Johan Cruyff und Lionel Messi fallen in der Diskussion.

«Dieser Junge wird der beste Fußballspieler der Welt», sagte einst Waldemar de Brito, der als sein Entdecker gilt. Beim FC Santos erhielt der Schuhmacherlehrling 1956 einen Vertrag und debütierte mit 15 in der ersten Mannschaft. Mit 16 spielte Pelé erstmals in der Nationalmannschaft, deren Rekordtorschütze (77 Tore in 92 Länderspielen) er bis heute ist. Insgesamt soll er 1281 Tore in 1365 Partien erzielt haben – eine bis heute unerreichte Bilanz.

Mit 17 Jahren entscheidet Pelé das WM-Finale

1958 nahm Nationaltrainer Vicente Feola den damals 17-Jährigen mit zur WM nach Schweden. Dort ging Pelés Stern auf. Beim 5:2 im Finale gegen den Gastgeber schoss er zwei Tore. Die Bilder des weinenden Pelé, der sich an Gilmars Schulter anlehnte, gingen um die Welt. Mit seiner leichtfüßigen, ungemein ballsicheren und torgefährlichen Spielweise verzauberte er alle. In dem Turnier traf er sechsmal und schrieb Geschichte: jüngster Spieler, jüngster Torschütze, jüngster Weltmeister!

1962 in Chile verletzte sich Pelé im zweiten Spiel und saß fortan auf der Tribüne. Auch Wunderheiler Mário Américo konnte ihn nicht fürs Finale fit machen, das Brasilien 3:1 gegen die CSSR gewann. 1966 in England wurde Brasiliens Held von den portugiesischen Verteidigern wie Freiwild gejagt und getreten. Mit dem 1:3 gegen Portugal schied der Turnierfavorit in der Vorrunde aus. Pelé wollte nie wieder eine WM spielen.

Vor der nächsten WM in Mexiko machte die brasilianische Regierung dem neuen Trainer João Saldanha, der Pelé nicht berücksichtigt hatte, Druck. Pelé schlüpfte wieder ins kanariengelbe Trikot. Unter Saldanhas Nachfolger Mario Zagallo marschierte die Seleção durchs Turnier und fegte im Endspiel Italien mit 4:1 weg. Kurzzeitig mit einem Sombrero auf dem Kopf ließ sich Pelé auf den Schultern durch das Aztekenstadion tragen. Ein Jahr später beendete er beim 2:2 gegen Jugoslawien vor 180.000 Zuschauern im Maracanã seine einzigartige Karriere in der Seleção.

Teamkollege von Beckenbauer bei Cosmos New York

Der Mann, der am 23. Oktober 1940 im Ort mit dem schönen Namen Três Corações (drei Herzen) im Bundesstaat Minas Gerais geboren wurde, kickte später noch zusammen mit Deutschlands «Kaiser» Beckenbauer bei Cosmos New York. Pelé hatte damals finanzielle Probleme, in den USA konnte er sich konsolidieren. Ein Foto von 1977, wie Pelé und Beckenbauer nackt unter der Dusche stehen, gehört zu den Perlen der Fußball-Dokumentation. «Ein Jahrhundertbild», sagte selbst der deutsche Weltmeister von 1974 einmal schmunzelnd.

Beckenbauer war ein Freund Pelés, sein Lieblingsfeind hieß lange Diego Maradona, der sich selbst als Fußballgott sah. Pelé warf dem Argentinier vor, der Jugend ein schlechtes Beispiel zu sein – während Maradona Pelé als einen Fall fürs Museum bezeichnete. Bei der FIFA-Wahl zum «Jahrhundertspieler» lieferten sich die beiden verbale Scharmützel.

«Die Fußball-Welt hat sich bereits für mich entschieden», erklärte Pelé damals. «Aber wenn der Titel Maradona helfen kann, seine Drogenprobleme zu bewältigen und mit 40 Jahren noch einmal in die Familie des Fußballs zurückzukehren, warum nicht?»

«Es ist wie in der Musik»

Der Brasilianer ließ keine Zweifel daran, dass er sich selbst für den Spieler des Jahrhunderts hält: «Es ist wie in der Musik. Dort gibt es Beethoven und die anderen. Und im Fußball gibt es eben Pelé und die anderen.» In einem emotionalen Abschiedsbrief zum Tod von Maradona Ende November 2020 ließ Pelé persönlichere Worte anklingen, er suggerierte eine tiefe Freundschaft der beiden Weltstars.

Sein schönstes Tor? Pelé selbst sagte: Das 4:2 beim Santos-Spiel gegen den Club Atlético Juventus aus São Paulo am 2. August 1959, als er im Strafraum den Ball in der Luft jonglierte, nacheinander über drei Gegenspieler lupfte, dann auch noch über den Torwart, um den Ball schließlich per Kopf einzunetzen. Davon gibt es aber keine Videoaufnahmen, nur Animationen, was den Mythos nur genährt hat.

Pelé hat sich 1000. Tor «anders vorgestellt»

Auf dem Weg zur Kabine kommt jeder Spieler im Maracanã-Stadion an einem alten Lederball vorbei – jener, mit dem Pelé am 19. November 1969 sein 1000. Tor erzielte. Der Superstar spielte mit dem FC Santos gegen Vasco da Gama aus Rio de Janeiro. Nach einigen vergebenen Chancen kommt die 78. Minute. Pelé wird gefoult. Pfiff. Elfmeter. Er tritt selbst an, schießt platziert in die rechte Ecke. «O Milésimo» ist erreicht. Alle Dämme brechen, er greift sich den Ball und küsst ihn.

Dem Magazin «11 Freunde» sagte er dazu später: «Eigentlich hatte ich mir jenes Tor mit der magischen Zahl anders vorgestellt als ausgerechnet durch einen Strafstoß. Aber inzwischen war mir jede Art von Treffer recht; wenn ich es nur endlich hinter mich brachte.» Sogar die Kirchenglocken läuteten damals zu seinen Ehren.

In den vergangenen Jahren war es ruhiger um Pelé geworden. Bei der Einweihung einer Fußball-Akademie mit seinem Namen im Sommer 2020 in Resende im Inneren des Bundesstaates Rio de Janeiro sprach er auch über seine Gesundheit, nachdem er kurz davor an der Hüfte operiert worden war. «Die Leute sprechen über Fußball, meine Karriere, aber niemand hat nach meinen Kindern gefragt», sagte er. «In dieser Situation habe ich etwas mehr Zeit mit ihnen verbracht und viel gelernt.» Zudem war er immer wieder im Rahmen seiner Krebsbehandlung ins Krankenhaus gebracht worden.

Teils Kritik in der Heimat

In seiner Heimat war der Fußball-König auch schon mal in die Kritik geraten, wegen Vaterschaftsprozessen und seiner vielen Werbeverträge. Peinlich geriet die Frage, ob er denn bereit sei, das olympische Feuer bei den Spielen in Rio 2016 anzuzünden. Der Produzent der Eröffnungsfeier, Abel Gomes, traf sich mit Pelé in einem Restaurant und küsste ihm die Hand. Als sei er ein echter König. Pelé ließ ausrichten, er müsse das erst mit seiner PR-Firma klären. Schließlich sagte er kurzfristig ab – angeblich wegen gesundheitlicher Bedenken.

Pelé warb «nie für alkoholische Getränke, Politik, Religion oder Tabak», sagte er selbst. Aber für ein bekanntes Potenzmittel, auch wenn er stets betonte, selbst nie welche gebraucht zu haben. Sieben Kinder hat er, davon zwei uneheliche. Zwei gescheiterte Ehen hat er hinter sich. Mit 75 Jahren heiratete er seine dritte Frau Márcia Cibele Aoki.

In Santos gibt es ein eigenes Pelé-Museum. Von 1956 bis 1974 spielte er beim FC Santos und gewann mit dem Club 1962 sowie 1963 den Weltpokal. Unter Staatspräsident Fernando Henrique Cardoso war Pelé von 1995 bis 1998 sogar Brasiliens Sportminister – sein großer Wunsch war es, dass Brasilien einmal zu Hause Weltmeister werde. Doch dann musste er wie seine Landsleute mit dem 1:7 gegen Deutschland im Halbfinale 2014 eine der bittersten Stunden miterleben.

Ulrike John und Martina Farmbauer, dpa