«Phänomen» – Seiders Aufstieg zum NHL-Topverteidiger

«Mo ist für mich ein Phänomen.» So drückt der Kapitän des Eishockey-Nationalteams, Moritz Müller, seine Faszination und sein Staunen über seinen Namensvetter Moritz Seider aus.

Wovon der Routinier spricht, ist Seiders rasanter Aufstieg zu einem Top-Verteidiger der NHL. Seider ist einer der spannendsten und wichtigsten – wenn nicht der spannendste und wichtigste – Spieler im aktuellen deutschen WM-Team.

Gleich in seiner Debüt-Saison in der stärksten Liga der Welt für die Detroit Red Wings hat er mächtig beeindruckt. Der Hype um ihn dürfte in den kommenden Jahren weiter wachsen. Mit immer noch erst 21 Jahren ist Seider noch lange nicht am Ende seiner Entwicklung. Das Potenzial scheint aus Sicht von Bundestrainer Toni Söderholm grenzenlos.

«Gibt es welche?», konterte der Coach im Interview der Deutschen Presse-Agentur die Frage zu möglichen Grenzen in Seiders Entwicklung und prognostiziert selbst: «Ich glaube nicht.»

Von Freitag an will Seider bei der Weltmeisterschaft in Finnland alles versuchen, damit das unerfahrene deutsche Nationalteam trotz aller Ausfälle doch das Viertelfinale erreicht. Im ersten Vorrundenspiel in Helsinki am Freitag (19.20 Uhr/Sport1) gegen Rekordchampion Kanada steht auch er im Blickpunkt. «Jeder Athlet hat den Ansatz zu den Besten der Welt gehören zu wollen – dem versuche ich gerecht zu werden. Aber man muss sich schon ab und an mal kneifen und stolz sein auf das, was passiert ist», sagt Seider, der auf dem besten Weg ist, ein ähnlicher Weltklasse-Spieler zu werden wie Stürmer-Star Leon Draisaitl (Edmonton Oilers).

50 Scorerpunkte in erster NHL-Saison

Von Anpassungsschwierigkeiten in seiner ersten NHL-Saison war beim einstigen Mannheimer Seider nicht zu spüren. Stattdessen absolvierte er alle 82 Spiele, gab 43 Tor-Vorlagen, schoss sieben Tore und erreichte somit den Meilenstein von 50 Punkten. Sehr seltene Zahlen für einen so jungen Verteidiger. Seider könnte der erste Deutsche werden, der die Auszeichnung zum besten NHL-Neuling erhält.

Getrieben wird er vom Perfektionismus. Mit Selbstbewusstsein und einer beeindruckenden Gelassenheit überzeugte er auf Anhieb, spielt abgezockt und fährt beeindruckende Checks. Der kräftige und 1,93 Meter große Seider schreckt dabei auch vor Topstars nicht zurück. Selbst NHL-Nationaltorhüter Philipp Grubauer schaut sich Highlight-Videos von Seider an und urteilt: «Beast Mode!»

«Ich gehe mit breiter Brust aufs Eis»

«Der Respekt ist natürlich da», sagt Seider. «Man versucht aber selber, sich auch einen Namen zu machen. Deshalb brauche ich mich nicht kleinkrümmen, ich gehe mit breiter Brust aufs Eis. Ich will jedem Spiel meinen Stempel aufdrücken, und die sollen sich nach mir richten.» Auch der zunehmende Rummel bringt ihn nicht aus dem Tritt. Gründe, abzuheben, hätte es mehrere gegeben. Doch Seider selbst sagt, gar nicht zu wissen, was ihn von anderen Talenten unterscheide.

In den vergangenen Jahren ist viel passiert. Nachdem er in Mannheim in kurzer Zeit in der DEL auf sich aufmerksam gemacht hatte und gleich bei seiner ersten WM 2019 herausragte, wurde er im NHL-Draft gezogen: an sechster Position – ungewöhnlich früh für einen Verteidiger, der noch dazu nicht aus Nordamerika kommt.

Er spielte zunächst in der zweitklassigen AHL und in der vergangenen Saison in Schweden – und wurde in der starken schwedischen Liga als bester Verteidiger gekürt. Erst nach der WM 2021 mit dem glänzenden Halbfinaleinzug, der Auszeichnung zum besten WM-Verteidiger und Wahl ins All-Star-Team kam er in die NHL.

Dass Detroit keine Playoff-Klasse besitzt, ist nun das Glück für Söderholm. Sonst hätte Seider keine Zeit für die WM.

Von Kristina Puck, dpa