Plauderei vor der Palmentapete: Kerbers anderes Leben

Angelique Kerber hat in München ihre Laufschuhe dabei. Die ehemalige Weltranglistenerste, die derzeit in der Baby-Pause ist, will sich schließlich fit halten. Auf dem Tenniscourt ist die 34-Jährige außerdem noch regelmäßig.

«Auf dem Platz stehen, Bälle schlagen, diese Routine ist geblieben, nur nicht mehr so intensiv», erzählt Kerber in einem Café bei der Vorstellung ihrer Biografie «Eine Frage des Willens: Mein Weg nach oben».

«Tennis ist mein Leben und wird es immer bleiben»

Die gebürtige Bremerin erwartet mit ihrem Freund Franco Bianco im Frühjahr ihr erstes Kind. «Es ist etwas Wunderschönes, und darauf freue ich mich auch», sagt sie über die künftige Rolle als Mutter. Fragen nach ihrem Comeback muss Kerber auch beantworten. «Wer weiß, was kommt. Ich lasse mir Zeit. Wenn ich zurückkomme, möchte ich richtig zurückkommen», sagt Kerber, die rund eine Stunde über das spricht, was sie preisgeben möchte. Von einer «roten Linie» spricht sie, wenn eine Frage zu nah an ihr Privatleben heranreicht.

Über Tennis redet Kerber vor einer Tapete mit Palmenmotiv gerne. «Tennis ist mein Leben und wird es immer bleiben. Ich vermisse auch das richtige Spielen», erzählt sie. Ihren «Touch», also das Ballgefühl, hat sie immer noch. «Ich denke, das bleibt auch.»

Die dreimalige Grand-Slam-Turnier-Siegerin hat zuletzt Olympia 2024 als großes Ziel bezeichnet. In Paris muss aber noch lange nicht Schluss sein. «Es ist nicht so, dass Olympia 2024 mein letztes Turnier sein soll», sagt sie.

11 Niederlagen führten zu Australien Open Sieg

2012 in London erreichte Kerber das Viertelfinale, 2016 in Rio de Janeiro das Finale. Dort unterlag sie damals Mónica Puig aus Puerto Rico. Tokio 2021 sagte sie verletzt ab. «Mama zu sein ist das Schönste auf der Welt, deswegen ist es etwas super Schönes für sie, und ich denke, dass sie sich auch mega darüber freut», sagte die zweifache Mutter Tatjana Maria während der US Open in Kerbers Richtung.

Mit Comebacks kennt sich Kerber aus. 2011, so erzählt sie es in ihrem Buch, wollte sie sogar ihre Karriere beenden, nachdem sie elfmal nacheinander in der ersten Runde rausgeflogen war. «Vor 2011 war ich schon eine komplett andere Spielerin und eine komplett andere Person», räumt sie ein. Sie habe nicht besonders hart trainiert vor dieser Zäsur. «Irgendwann habe ich gemerkt: Das reicht nicht, um dahin zu kommen, wo ich hin möchte.»

Die harte Arbeit zahlte sich aus. Es dauerte aber. 2016 dann gewann Kerber die Australian Open und auch die US Open. Im selben Jahr stieg sie auch zur ersten deutschen Nummer eins in der Welt seit Steffi Graf auf. «Ich weiß, wie man immer wieder zurückkehrt. Ich weiß, dass es ein langer und intensiver Weg sein kann. Ich versuche es, so schnell wie möglich hinzubekommen», sagt Kerber über ihre Comeback-Pläne.

Neues Leben führt zu Austausch mit Kolleginnen

Erst mal wartet aber ein neues Leben auf sie. Mit früheren Weltklasse-Spielerinnen, die auch während der Karriere Mutter wurden, hat sich Kerber «schon ausgetauscht» und erwähnt Serena Williams, Viktoria Asarenka und Kim Clijsters. «Ich weiß nicht, wie es sich verändern wird. Man braucht eine andere Routine und muss es anders organisieren. Es wird wahrscheinlich ein bisschen Zeit brauchen», sagt Kerber, die es zugleich für unwahrscheinlich hält, ihren Nachwuchs künftig bei Spielen in die Loge mitzunehmen. «Ich denke, ich werde eine rote Linie haben und es sehr privat halten.»

Ihre sportliche Krise 2017, ein Treffen mit dem früheren US-Präsidenten Barack Obama: Die in Kiel aufgewachsene Spitzenathletin erwähnt in ihrer Biografie so manches – auch die Geschichte einer Beule zählt dazu. Vor ihrem rauschhaften Australien-Open-Turnier 2016 fiel ihr im Hotelzimmer nämlich ein Holzbalken auf den Kopf, so erzählt es Kerber selbst. Das schmerzhafte Ergebnis: eine Beule. «Das war nur ein Schreckmoment», beschwichtigt sie und ergänzt lachend: «Irgendwann hat es dann klick gemacht.»

Martin Moravec, dpa