Positiv denken: Klopps Saison zwischen Rekorden und Ehrungen

Vor der Abreise nach Paris gab Jürgen Klopp einem englischen Journalisten noch eine kurze Einführung in seine Lebens-Philosophie.

«Sie bereiten Pressekonferenzen ganz anders vor als ich», sagte der deutsche Trainer des FC Liverpool, nachdem er danach gefragt wurde, dass sein Team in den vergangenen sechs Spielen fünfmal in Rückstand geriet. «Ich würde im Vorfeld nie etwas Negatives herauspicken», sagte Klopp: «Wenn Sie wollen, dass es wieder passiert, können Sie genau so reden. Vielleicht können Sie daraus was lernen. Fürs private Leben.»

Englische Meisterschaft verpasst

Klopp denkt schon wieder positiv, und das nach dem ersten richtig heftigen Rückschlag der Saison. Um einen Punkt und ein paar Minuten verpasste er im Fernduell mit Manchester City den Titel in der englischen Fußball-Meisterschaft und damit auch die Chance auf das historische Quadrupel. Dennoch eilt der 54-Jährige derzeit mit den Reds von einer Ehrung zum nächsten Rekord. Am Samstag im Champions-League-Finale gegen Real Madrid (21.00 Uhr/ZDF und DAZN) könnte er eine überragende Saison krönen.

«Es könnte mir nicht egaler sein», sagte der Coach auf der Pressekonferenz vor der Abreise. Damit meinte er aber wahrlich nicht den Champions-League-Titel als solchen, sondern die nächste Bestmarke, die er damit einstellen könnte. Er wäre der erste Premier-League-Coach nach Sir Alex Ferguson, der zum zweiten Mal den Henkelpott in der Königsklasse gewinnt. Er ist schon der erste neben Ferguson, der mit ein und demselben Verein einen Europacup, den Meistertitel und beide nationalen Pokale holte. Die gewann er in dieser Saison mit Liverpool. Und am Dienstag wurde er als Trainer des Jahres auf der Insel geehrt.

«Wenn du eine solche Auszeichnung erhältst, bist du entweder ein Genie», sagte Klopp bei der Ehrung: «Oder du hast das beste Trainerteam der Welt.» Bei seiner Vertragsverlängerung bis 2026 Ende April soll er zugunsten seiner Assistenten auf Geld verzichtet haben.

Sehr stetes Trainerleben

In einigen Monaten wird Liverpool die längste Station in Klopps ohnehin sehr stetem Trainerleben sein. Siebeneinhalb Jahre war er in Mainz, sieben in Dortmund, im Oktober ist er sieben in Liverpool. Und er sprüht immer noch vor Ehrgeiz und Motivation. «Ich kann es gar nicht erwarten», sagte er mit Blick auf das Finale gegen Real. Die ganze Fußball-Welt werde am Samstag «Rot oder Weiß» sein. So etwas liebe er. Und die Enttäuschung vom Sonntag sei längst verarbeitet.

«Es war so oder so eine großartige Saison», erklärte er: «Sollten wir die Champions League gewinnen, war es eine fantastische.» Das heiße aber längst nicht, dass es egal sei, wie das Spiel ausgeht. «Wer weiß, wie oft du ein Champions-League-Finale erreichst», sagte er: «Also nutzt du besser die paar Chancen, die sich bieten.»

Zum vierten Mal im Finale

Klopp steht am Samstag schon zum vierten Mal im Endspiel. Das war auch Rekord. Für einen Tag. Dann wurde Real zum Gegner und sein Kollege Carlo Ancelotti mit fünf Teilnahmen wieder zum alleinigen Rekordcoach. Seinen bisher einzigen Titel holte Klopp 2019 gegen Tottenham Hotspur. 2013 verlor er mit Dortmund gegen den FC Bayern München, 2018 mit Liverpool eben gegen Real.

Es sei «Zeit für Rache», sagte deshalb Liverpool-Stürmer Mohamed Salah. Klopp kann damit nichts anfangen. «Es gibt das Gefühl, dass wir die Dinge richtigstellen wollen, definitiv», sagte er: «Aber das kann nicht der Hauptgedanke sein. Wenn wir dorthin fahren und «Rache! Revanche!» rausposaunen und all diese Dinge – so funktioniert das nicht. Das sind nicht wir.» Und es wäre wahrscheinlich auch zu negativ gedacht.

Von Holger Schmidt, dpa