Possenspiel im Kanal: Wer bekommt die Olympia-Rennen 2026?

Gefrustete Athleten, irritierende Funktionäre und das IOC auf Basta-Kurs: Der sportpolitische Interessenkonflikt um die olympischen Schlittenrennen 2026 wird immer mehr zum Possenspiel. Während die Italiener entgegen der offiziellen Aussagen der Organisatoren der Winterspiele von Mailand und Cortina im Hintergrund weiter um ein Heimspiel bei den Wettbewerben im Bob, Rodeln und Skeleton kämpfen, nimmt eine deutsche Bewerbung als Ersatz-Gastgeber Formen an. Das bestätigte der deutsche Verbandschef Andreas Trautvetter der Deutschen Presse-Agentur.

Eine Austragung der Wettkämpfe außerhalb des Gastgeberlandes wäre ein Novum in der 102-jährigen Geschichte der Winterspiele. Weil Italien derzeit ein geeigneter Eiskanal fehlt, hatte Organisationschef Giovanni Malago zuletzt auf großer Bühne bei der Session des Internationalen Olympischen Komitees in Mumbai einen Umzug ins Ausland angekündigt. 

Kritik der Athleten

Vielen Sportlern ist das nicht recht. «Es ist einfach enttäuschend, Italien hat damals die Spiele bekommen. Und die Bedingung war, dass die Bahn in Cortina wieder aufgebaut wird. Jetzt sagen sie zweieinhalb Jahre vorher, ja kriegen wir doch nicht hin. Sorry, wo sind wir denn gelandet», sagte Bob-Olympiasiegerin Laura Nolte der ARD. 

Sie fühlt sich «abgeschoben. Das nimmt einem irgendwie das, wofür man es eigentlich macht.» Auch der dreimalige Rodel-Olympiasieger Felix Loch ist sauer: «Mir tuts extrem leid für unsere italienischen Sportler. Sie und unser ganzer Sport hätten eine Bahn in Italien verdient gehabt.»

Italiener planen Umbau

Die Italiener haben die Pläne für Heimrennen aber anscheinend noch gar nicht aufgegeben. Im Hintergrund laufen gerade Bemühungen hinsichtlich einer Sanierung der Bahn in Cesana Pariol an, wo 2006 die Olympia-Läufe ausgetragen wurden. Seit 2011 ist sie stillgelegt. 

«Die Chancen stehen gut, dass die Bahn reaktiviert wird, wir haben ganz gute Karten, im November muss es entschieden werden», sagte Armin Zöggeler der dpa. Der Rodel-Olympiasieger von 2002 und 2006, der seit 2018 Vizepräsident Technik beim Rodel-Weltverband ist, sieht die Aussagen der Organisatoren bei der IOC-Session als «Fehlinterpretation. Intern haben wir was anderes gehört.»

Doch das IOC hatte zuletzt Bahn-Neubauten ausgeschlossen, wenn es keinen tragfähigen Nachnutzungsplan gibt. «Diese Position wurde bei den Diskussionen in Cortina mehrfach bestätigt und gilt auch für Cesana», heißt es auf Nachfrage aus Lausanne.

Deutschland bereitet Bewerbung vor 

Und genau da kommen die Alternativen ins Spiel. Der Deutsche Olympische Sportbund will zusammen mit dem Bob- und Schlittenverband für Deutschland (BSD) eine Bewerbung für die olympischen Rennen im Eiskanal 2026 abgeben. Das zumindest sagt BSD-Präsident Trautvetter.

«Die Zeitschiene ist sehr eng, die Unterlagen aus Italien sind da. Wir brauchen eine Woche, um das mit den Partnern an den Bahnen und der Politik bewerten. Wir brauchen jedoch vor dem 1. Dezember eine klare Entscheidung der Bundesregierung über die Teilnahme russischer und belarussischen Athleten und Athletinnen», sagte Trautvetter, der auch Vizepräsident des Bob- und Skeleton-Weltverbandes (IBSF) ist.

Lösung: älteste Eisbahn der Welt?

Da die Bahn in Oberhof nicht für Bobrennen ausgelegt ist und die Entfernung bis nach Altenberg und Winterberg kaum tragbar wäre, kommt die älteste Kunsteisbahn der Welt ins Gespräch. «Wenn wir irgendwo in der Nähe der Olympia-Stadt sein wollen, dann können wir an der Bahn am Königssee nicht vorbeigehen», sagte Trautvetter.

Der Eiskanal in Bayern war nach einem Unwetter im Juli 2021 teilweise im oberen Teil zerstört worden. Die Planungen für den Wiederaufbau laufen. Nach dpa-Informationen wären selbst temporäre Lösungen bis zum vollständigen Wiederaufbau der Bahn machbar. 

Als weitere Bewerber kommen die Österreicher infrage, die unmittelbar nach der Absage von Cortina ihre im Ausbau befindliche Bahn am Patscherkofel in Innsbruck/Igls ins Gespräch brachten. Aus Athletenkreisen wird auch das Kufen-Mekka in St. Moritz genannt.

Sorge um Temperaturen 

Zwar sind die Temperaturen Ende Februar durch die Sonneneinstrahlung am Tage extrem gefährlich für das dortige Natureis – doch mit Sonnensegeln und neuer Beleuchtung wäre Olympia wohl zu stemmen. Aber die Schweizer haben sich wie die Franzosen mit La Plagne schon mit einer Bewerbung für 2030 in Stellung gebracht, was die Chancen eher schmälert. 

Deutschland müsse laut Trautvetter schnellstens seine Hausaufgaben machen, auch auf politischer Ebene. Das IOC sieht olympische Wettbewerbe in Deutschland derzeit kritisch, weil Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) Sportlern aus Russland und Belarus wegen des Kriegs in der Ukraine die Einreise verweigern will. Das bedeutet laut IOC-Stellungnahme, «dass Länder, in denen es solche Beschränkungen gibt, nicht in Betracht gezogen werden können». 

Von Frank Kastner, dpa