«Power in den Beinen» – Förstemann nun im Parasport top

Die dicksten Oberschenkel hat Robert Förstemann immer noch. 80 Zentimeter Beinumfang waren es vor einigen Wochen in der Kraftphase, berichtet der Muskelprotz: «Da waren sie größer als früher.»

Der 37-Jährige fällt bei den Rad-Weltmeisterschaften in Glasgow aber nicht nur wegen seiner Muskelberge, sondern auch durch die sportlichen Erfolge mit seinem sehbehinderten Partner Thomas Ulbricht auf. Bronze gab es auf dem Tandem im 1000-Meter-Zeitfahren, im Sprint sicherte sich das Duo sogar Silber. Das Duo musste sich im Finale den Briten Neil Fachie und Matthew Rotherham in zwei Läufen geschlagen geben.

Förstemann: «Wir sind heiß»

«Eine Medaille fehlt noch. Im ersten Moment sind wir enttäuscht. Wir waren nah dran, haben ein schönes Rennen geliefert», sagte Ulbricht der Deutschen Presse-Agentur. Förstemann fügte hinzu: «Wir sind heiß. Wir freuen uns, dass eine Entwicklung zu sehen ist. Der Thomas fährt eigentlich erst seit eineinhalb Jahren Rad. Er macht das fantastisch, er ist ein toller Schüler. Wenn man sieht, dass die Lücke nach vorn immer knapper wird und die Briten langsam richtig Stress kriegen, dann pusht uns das natürlich und macht Lust auf mehr.»

Förstemann, einst Weltmeister und Olympia-Dritter im Teamsprint bei den Bahnradprofis, ist vor einigen Jahren zum Para-Sport gewechselt. Als Pilot navigiert er seinen Partner durch das Holzoval. «Mittlerweile macht das mehr Spaß als früher», sagt der Thüringer: «Früher bin ich immer für mich alleine gefahren, jetzt fährt man mit jemandem zusammen. Ich bin mehr Teamplayer geworden.»

Der Seitenwechsel habe ihn als Mensch weiterentwickelt. «Ich schaue durch den Para-Sport auch über meinen Tellerrand hinaus. Man sieht, dass es viele Menschen im Leben nicht so gut hatten wie wir als Leistungssportler. Wenn du die Leute unterstützen kannst und noch ein bisschen was Gutes machen kannst durch viel Power in den Beinen, ist das eine gute Sache.»

«Das ist Leistungssport vom Feinsten»

Power in den Beinen hat Förstemann immer noch – und wie! Kniebeugen mit einer mehr als 250 Kilogramm schweren Hantel auf den Schultern – für den Familienvater kein Problem. Auf seinem Instagram-Profil sind die Trainingsvideos von Quadzilla, so sein passender Spitzname, zu bestaunen. «Ich habe nie so viel Kraft wie aktuell gehabt. Wir müssen 200 Kilo aus dem Stand beschleunigen und mindestens 42 Sekunden weiterfahren. Das ist Leistungssport vom Feinsten», sagt Förstemann.

Dem kann Ulbricht nur zustimmen. Der frühere Leichtathlet ist glücklich, Förstemann an seiner Seite zu haben. «Robert ist unfassbar stark. Mit seiner Erfahrung haben wir auch einen Sturz verhindern können», sagt der sehbehinderte Ulbricht. Ohne ihn hätte er mit dem Radsport nicht angefangen.

Berühmt geworden für die «riesigen Oberschenkel»

Bei Förstemann war Radsport schon immer die große Leidenschaft. Bis 2018 gehörte er der deutschen Bahnrad-Nationalmannschaft an. Im Teamsprint war er lange Zeit der Anfahrer, wurde Weltmeister, Europameister und sammelte nationale Erfolge. So richtig berühmt wurde er 2012 bei Olympia in London, als seine riesigen Oberschenkel sogar in der Yellow Press auf der Insel Schlagzeilen machten.

Olympia ist immer noch das Ziel, nun halt die Paralympics im Behindertensport. In Paris 2024 will das Duo eine Medaille über die 1000-Meter-Distanz holen. «Nächstes Jahr wollen wir unter eine Minute kommen. Das muss das Ziel sein für Paris», sagt Ulbricht. Den Rückstand zu den Briten haben sie nach und nach verkleinert, in Glasgow waren es nur noch sieben Zehntelsekunden.

Vorher gilt es aber noch, sich zu qualifizieren. «Bei den letzten zwei Weltmeisterschaften haben wir jeweils eine Medaille geholt. Jetzt haben wir im März noch mal eine WM in Rio. Wenn wir da auch noch mal eine Medaille holen, sind wir auf jeden Fall dabei», erklärt Förstemann. Für das große Ziel wird er weiter hart trainieren. Die Oberschenkel sind dabei sein größtes Kapital.

Von Stefan Tabeling, dpa